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Varoufakis - der Euro-Shooter aus Athen

Von Stephan Lorz, Frankfurt Börsen-Zeitung, 28.1.2015 "Was immer die Deutschen sagen, am Ende werden sie immer zahlen", sagte Giannis Varoufakis vor kurzem in einem TV-Interview. Was man noch vor wenigen Tagen als Meinungsäußerung eines...

Varoufakis - der Euro-Shooter aus Athen

Von Stephan Lorz, Frankfurt”Was immer die Deutschen sagen, am Ende werden sie immer zahlen”, sagte Giannis Varoufakis vor kurzem in einem TV-Interview. Was man noch vor wenigen Tagen als Meinungsäußerung eines griechischen Ökonomen hätte abtun können, der bei einem Computerspielproduzenten die Wirtschaftskreisläufe von Ego-Shootern analysiert, hat nun eine viel größere Fallhöhe.Der 53-jährige Varoufakis ist nämlich der neue Finanzminister in Athen und damit die rechte Hand des neuen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras. Dieser hatte angekündigt, die Troika aus dem Land zu jagen, die Sparauflagen zu kündigen, neue staatliche Jobs zu schaffen sowie soziale Wohltaten zu verteilen und darüber hinaus einen Schuldenschnitt für das Land durchzusetzen. Varoufakis soll zusammen mit Vizeregierungschef Giannis Dragasakis, der ebenfalls als scharfer Kritiker der aktuellen Rettungspolitik auftritt, die Verhandlungen über einen Schuldenschnitt mit Brüssel führen. Nicht zimperlichVaroufakis ist nicht zimperlich bei seinen Äußerungen. Im Hinblick auf die von den Geldgebern im Gegenzug zu Finanzhilfen eingeforderten Reformen und Einsparungen spricht er von “fiskalischem Waterboarding”, das die griechische Gesellschaft in eine humanitäre Katastrophe gestürzt habe. Insofern begreift auch er die Troika aus Europäischer Zentralbank (EZB), Internationalem Währungsfonds (IWF) und EU-Kommission, welche die Einhaltung der Reform- und Sparauflagen kontrollieren soll, als koloniale Besatzer. Zwar räumt auch er in einigen seiner Aufsätze ein, dass man gegen die Reichen im Land und vor allem die “Multinationalen” vorgehen solle, die sich vor dem Steuerzahlen drücken. Doch viel größer ist sein rhetorisches Engagement, wenn er Spitzen gegen Brüssel und vor allem Berlin abschießt.Das ganze Rettungsprogramm sei nur dazu da gewesen, die Banken und deren Aktionäre in den jetzigen Geberländern zu retten und die Kosten den Schwächsten in Griechenland, den einfachen Steuerzahler, sowie den Steuerbürgern in Deutschland und anderswo aufzudrücken. Was diesen Standpunkt anbetrifft, so sieht er sich gestützt durch viele Ökonomen vor allem aus den angelsächsischen Ländern, die der Konsolidierungspolitik ebenfalls nichts abgewinnen können und darum Schuldenerleichterungen bis hin zu einem Schuldenschnitt für Griechenland fordern.Was seine Vorstellung von der wunderbaren Geldvermehrung angeht, die nötig ist, um alle Forderungen und Versprechungen der neuen Regierung in Griechenland zu erfüllen, so ist Varoufakis womöglich geprägt von seinen Arbeiten in den virtuellen Welten. In seiner Tätigkeit beim Softwareentwickler Valve beschäftigte er sich mit Computerspielen wie “Team Fortress 2” und “Dota 2” und das diesen zugrundeliegende Wirtschaftssystem. Cybermoney und BitcoinZudem forschte er eingehend über das Wesen und die Funktionsweise von Cybermoney wie Bitcoin. Dort wird das Geld schlicht errechnet und digital geprägt, was womöglich das Gefühl einer gewissen Unerschöpflichkeit aufkommen lässt. Aber selbst in diesen Spielen müssen die Geldeinheiten vielfach mit harter Währung wie den Euro gekauft werden, um damit Streitäxte zu erwerben und manche Dienstleistungen abzurufen. Vielleicht verstellt derlei Erfahrung auch den Blick, dass auch Nationen wettbewerbsfähig sein müssen und hierfür zunächst Vorleistungen wie Reformen notwendig sind. Kein UmsturzIn seinen jüngsten Blogbeiträgen scheint sich Varoufakis etwas gemäßigter zu präsentieren. Er betont den Wert von freien Märkten und von Wettbewerb. Und was Griechenland anbelangt, so heißt es, will er sich dafür einsetzen, die Bedingungen der Rettungspakete neu zu verhandeln. Das ist noch kein Umsturz. Er argumentiert, die Rückzahlung der Milliardenkredite solle sich am Wachstum der Wirtschaft orientieren. Bei dieser Meinung bleibe er auch als Minister, schrieb er in seinem privaten Blog.Varoufakis ist Professor für Ökonomische Theorie an der Universität Athen und regelmäßiger Gastdozent an der University of Texas in Austin. Er wurde in Griechenland geboren, hat aber daneben auch die australische Staatsbürgerschaft. Er studierte Mathematik und Statistik und promovierte im Jahr 1987 an der University of Essex in Ökonomie. Danach ging er als Fellow für ein Jahr an die University of Cambridge. Zwischen 1988 und 2000 war er Lehrbeauftragter an der Universität von Sydney, kehrte dann aber nach Griechenland zurück. Von 2012 arbeitete er für die Valve Corporation als Hausökonom und als Berater für die Konzepte von Computerspielen.