Verfassungskläger fordern Stoppsignal für EuGH

Mündliche Verhandlung beim Bundesverfassungsgericht über die Rechtmäßigkeit des OMT-Anleihekaufprogramms

Verfassungskläger fordern Stoppsignal für EuGH

Nachdem der Europäische Gerichtshof der EZB weitgehende Handlungsfreiheit beim OMT-Anleihekaufprogramm gegeben hat, steckt nun das Bundesverfassungsgericht vor dem Dilemma, mit einer gegenteiligen Entscheidung eine europäische Verfassungskrise auszulösen oder das Gesicht zu verlieren.lz Karlsruhe – In der Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) über das Anleihekaufprogramm OMT (Outright Monetary Transactions) der Europäischen Zentralbank (EZB) haben die Kläger die Richter aufgefordert, den offenen Konflikt mit dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu wagen. Die Zentralbank sei von den Europarichtern entfesselt worden. Das schwäche den Verfassungsstaat, ziehe finanzpolitisch gefährliche Entwicklungen nach sich und untergrabe die Demokratie insgesamt.Im Juni 2015 hatte der EuGH einen Vorlagebeschluss des BVerfG weitgehend zurückgewiesen, in dem die Karlsruher Richter die Auffassung vertraten, der OMT-Beschluss der EZB gehe über ihr Mandat hinaus und greife damit in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten ein. Zudem verstoße das Programm gegen das Verbot monetärer Haushaltsfinanzierung. Die EZB hatte im Sommer 2012 versprochen, notfalls unbegrenzt Staatsanleihen von Krisenstaaten zu kaufen, sofern diese sich einem EU-Reformprogramm unterwerfen. Der EuGH schloss sich dieser Meinung indes “nur in manchen rechtlichen Grundannahmen” an, wie Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle formulierte, “nicht aber im Ergebnis unserer Argumentation”. Der Senat müsse nun auf dieser Grundlage eine endgültige Entscheidung in den Ausgangsverfahren treffen.”Wir als Bundestag haben die Europäische Zentralbank nicht berechtigt, Erfinder, Durchsetzer und Kontrolleur zugleich zu sein”, betonte etwa Gregor Gysi als Vertreter der Bundestagsfraktion der Linken in dem Verfahren. Der Freiburger Staatsrechtsprofessor Dietrich Murswiek, der für den CSU-Politiker Peter Gauweiler spricht, kritisierte, das sogenannte OMT-Programm sei gleich “in mehrfacher Hinsicht mit dem Demokratieprinzip unvereinbar”. Für ihre Maßnahmen fehle der Notenbank die demokratische Legitimation. “Zum Jagen tragen”Staatsrechtler Markus C. Kerber sprach von “Rechtsfehlern des EuGH”, weil es der EZB eine “unbegrenzte Generalermächtigung” verliehen habe, was sie zu einem “souveränen Finanzdiktator” mache. Er forderte die Bundesbank zu einem formalen Widerspruch auf. Kerber: “Die Bundesbank muss den OMT-Beschluss der EZB deklaratorisch ablehnen.” Man müsse sie offenbar “zum Jagen tragen”.Finanzstaatssekretär Jens Spahn (CDU) appellierte indes an die Verfassungsrichter, bei ihrer Entscheidung “dem Kooperationsverhältnis beider Gerichte Rechnung zu tragen”. Es gelte, beide Rechtsräume in Einklang zu bringen. Er wünsche sich “ein Freundschaftsspiel und kein Endspiel”, bei dem beide Seiten am Ende als Sieger dastünden. Bundestagsvertreter appellierten an die Fehlertoleranz in europarechtlichen Entscheidungen und an die geforderte europafreundliche Tendenz der Einschätzungen. Sie sprachen von einem “Schreckensbild”, das von den Risiken von OMT konstruiert würde. Dabei sei der parlamentarische Handlungsspielraum bislang immer vorhanden gewesen.Beim Schlagabtausch zwischen Bundesbankpräsident Jens Weidmann und EZB-Direktor Yves Mersch ging es vorrangig um die Frage, wie denn die EZB irrationale Marktpreise, gegen die OMT vorgehen müsse, von berechtigten Marktpreisen unterscheiden wolle. Weidmann hält das für “schwierig” oder nahezu unmöglich. Dagegen sieht sich Mersch in der Reaktion der Märkte nach der OMT-Ankündigung durch EZB-Präsident Mario Draghi bestätigt. Dass die Zinsen seit diesem Zeitpunkt gefallen seien, belege, dass die Irrationalität aus dem Markt genommen worden sei.