Verhärtete Fronten im Brexit-Poker

Johnson rechnet vor Treffen mit Merkel mit Einlenken der EU - Brüssel hat Notfallplanungen abgeschlossen

Verhärtete Fronten im Brexit-Poker

Kurz vor der ersten Auslandsreise von Boris Johnson nach Berlin und Paris hat sich der britische Premier noch einmal zuversichtlich gezeigt, dass die EU-27 im Brexit-Streit doch noch einknickt und Zugeständnisse macht. In Brüssel sieht man derweil keine weiteren Notfallplanungen für einen No Deal für nötig an.ahe Brüssel – Der britische Premierminister Boris Johnson hat vor der ersten direkten Brexit-Sondierung seit seinem Amtsantritt keinerlei Kompromissbereitschaft erkennen lassen. “Wir sind bereit für den Austritt am 31. Oktober – mit oder ohne Abkommen”, bekräftigte Johnson gestern in London. Er zeigte sich zugleich zuversichtlich, dass die EU bis dahin noch einlenkt: “Natürlich sind unsere Freunde und Partner auf der anderen Seite des Kanals etwas zögerlich, ihre Position zu ändern. Na gut. Ich bin zuversichtlich, dass sie es tun werden.”Johnson wird am morgigen Mittwoch zunächst nach Berlin reisen, um mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu sprechen. Am Donnerstag stehen dann Gespräche mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron in Paris an, bevor es dann am Wochenende auch noch Gesprächsmöglichkeiten mit den europäischen Amtskollegen am Rande des G7-Gipfels geben wird.Aber auch aus der EU-27 kamen vor diesen Treffen keine Signale für eine Bereitschaft, Zugeständnisse zu machen. Während in London am Wochenende noch Berichte über mögliche Versorgungsengpässe nach einem harten Brexit für Aufregung gesorgt hatten, sieht Brüssel für die EU keine zusätzlichen Notfallplanungen mehr als notwendig an. “Wir sind auf alle Eventualitäten vorbereitet”, betonte gestern eine Sprecherin der EU-Kommission. Zwar würde ein ungeregelter EU-Austritt Großbritanniens “natürlich erhebliche Störungen sowohl für Bürger als auch für Unternehmen verursachen”. Doch träfen diese Großbritannien weit stärker als die übrigen 27 EU-Staaten, sagte die Sprecherin. Engpässe befürchtetAuch Kanzlerin Merkel hatte am Wochenende noch einmal klargestellt, dass Deutschland auch für einen Brexit ohne Abkommen gewappnet sei. “Wir sind auf alles vorbereitet, das darf man sagen, auch wenn wir keinen Abschluss bekommen”, sagte sie in Berlin. Sie freue sich auf den Besuch von Johnson und werde sich bis zum letzten Tag Mühe geben, um doch noch eine Lösung zu finden. “Aber wenn’s nicht geht, dann sind wir auch auf den anderen Fall vorbereitet”, so Merkel.In London war am Wochenende ein internes Papier bekannt geworden, wonach die britische Regierung im Falle eines No-Deal-Brexit einen Mangel an Lebensmitteln, Medikamenten und Benzin befürchtet. Darüber hinaus würden ein monatelanger Zusammenbruch in den Häfen, eine harte Grenze zur Republik Irland und steigende Sozialkosten erwartet, berichtete die “Sunday Times”.Ähnliche Berichte hatte es auch im Frühjahr schon gegeben. Der britische No-Deal-Beauftragte Michael Gove bezeichnete die Papiere als veraltet. Sie würden den schlimmsten Fall widerspiegeln; inzwischen gehe man nur noch von kleineren Hindernissen aus, sagte er.Die Debatten in London über einen möglichen Sturz der Regierung Johnson halten unterdessen weiter an. Labour-Chef Jeremy Corbyn hatte sich selbst als Interimspremier vorgeschlagen. Am Wochenende warnte er, Großbritannien steuere auf eine “Katastrophe” zu. Corbyn will kommende Woche mit den Spitzen anderer Oppositionsparteien über Wege beraten, einen No Deal zu verhindern. Eine Mehrheit der Abgeordneten im Unterhaus will keinen harten Brexit.Einer neuen Umfrage zufolge würde fast jeder zweite Brite lieber einen ungeregelten Brexit hinnehmen, als dass Corbyn Übergangspremier wird. Der Yougov-Umfrage zufolge würde sich nur gut ein Drittel der Befragten (35 %) für Corbyn aussprechen. 48 % der insgesamt 1968 Befragten würden sich für einen Austritt ohne Abkommen mit der EU entscheiden. Die übrigen Befragten zeigten sich unschlüssig.