Verhärtete Fronten in der Asylpolitik
Die Union hat ihren Streit über die Asylpolitik nur vertagt. Die beiden Parteivorsitzenden, Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), beharren auf ihren Positionen. Beide haben dafür die Rückendeckung der Parteispitzen. Merkel soll Ende Juni beim Gipfel Fortschritte in der EU liefern. wf Berlin – Einigkeit besteht zwischen CDU und CSU zumindest in einem Punkt. Beide wollen illegale Migration reduzieren, steuern und ordnen. Die CSU gab Bundesinnenminister Horst Seehofer in München am Montag laut Nachrichtenagentur Reuters das Mandat, in anderen EU-Staaten registrierte Flüchtlinge zurückzuweisen. Der CSU-Chef will allerdings erst den EU-Gipfel Anfang Juli abwarten, bevor er die Grenzen für diese Flüchtlingsgruppe schließen will. In Berlin hielt Bundeskanzlerin Angela Merkel fest, dass es keinen Automatismus für eine Zurückweisung gebe. Sie erinnerte zugleich an ihre Richtlinienkompetenz, sollte Seehofer den Alleingang wagen. Dies würde eine Entlassung Seehofers und den Bruch mit der CSU bedeuten. Die SPD, die sich bislang zu dem eskalierenden Streit zwischen den Unionsparteien ruhig verhalten hatte, macht deutlich, dass sie einem Kompromiss nicht selbstverständlich zustimmen werde. Seehofer erklärte, er werde die Zurückweisung der in anderen EU-Staaten bereits registrierten Flüchtlinge anordnen, wenn keine ausreichenden europäischen Abkommen erzielt werden. Darauf will er die zuständigen Stellen – etwa die Bundespolizei – bereits sofort vorbereiten. Merkel hatte zuvor von der CSU verlangt, vor dem Europäischen Rat am 28. und 29. Juni in Brüssel keine deutschen Alleingänge in der Asylpolitik zu unternehmen. Die Kanzlerin baut auf eine europäische Lösung, nach der die EU-Außengrenzen gemeinsam gesichert werden und innerhalb Europas das Schengen-Abkommen weiterhin offene Grenzen und Freizügigkeit für Personen und Güter sichert. Für die Zurückweisung von Flüchtlingen an der Grenze hält sie bilaterale Abkommen für erforderlich. Union gesprächsbereit Zu Seehofers Ankündigung erklärte Merkel, die CDU-Spitze werde am 1. Juli erneut über den Stand der europäischen Bemühungen beraten. Seehofer zeigte sich in München ebenfalls gesprächsbereit, ohne dass er davon seine Entscheidung leiten lassen will. Diese sei eine “Frage des Anstands”. Die CSU-Spitze billigte in München den 63 Punkte umfassenden Masterplan Seehofers zur Asylpolitik. Das Vorhaben lag ihr nicht schriftlich vor. Der Plan ist auch nicht öffentlich bekannt. Seehofer zufolge geht es bei der Zurückweisung um “mehrere tausend” Menschen. Die Zahl der Asylbewerber sank 2017 in Deutschland deutlich. Im vergangenen Jahr hätten 222 560 Menschen einen Asylantrag gestellt, nach rund 745 000 im Jahr zuvor, teilte die Europäische Asylbehörde Easo mit.In Brüssel unterstützte die EU-Kommission Reuters zufolge Merkels Linie, bilaterale Lösungen mit einzelnen EU-Ländern im Asylstreit zu suchen. Die Kommission arbeite zudem mit allen europäischen Partnern an einer Lösung, die alle Beteiligten zusammenbringen soll, sagte ein Sprecher. Aus Washington mischte sich US-Präsident Donald Trump in die Debatte ein. Die Deutschen wendeten sich gegen ihre bereits “schwache” Regierung, erklärte Trump auf Twitter. Es sei in ganz Europa ein Fehler gewesen, Millionen Menschen aufzunehmen, die die dortige Kultur stark verändert hätten. Am Abend empfing Merkel in Berlin Italiens neuen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte zu einem Antrittsbesuch im Kanzleramt.