ANSICHTSSACHE

Vermögensteuer ist fair und ökonomisch vernünftig

Börsen-Zeitung, 15.3.2013 Ich bin eine Verfechterin der Schuldenbremse. Die Schuldenbremse macht nicht nur Schluss mit der schon jahrzehntelangen Unsitte, Politik auf Pump zulasten der nachfolgenden Generationen zu betreiben. Sie zwingt uns auch,...

Vermögensteuer ist fair und ökonomisch vernünftig

Ich bin eine Verfechterin der Schuldenbremse. Die Schuldenbremse macht nicht nur Schluss mit der schon jahrzehntelangen Unsitte, Politik auf Pump zulasten der nachfolgenden Generationen zu betreiben. Sie zwingt uns auch, die grundlegenden Fragen zu stellen, deren Debatte wir schon zu lange vor uns her geschoben haben: Welche Aufgaben soll der Staat erfüllen? Wie viel Geld sind wir bereit, ihm dafür zu geben? Und wie werden diese Lasten gerecht verteilt?Für mich steht fest: Chancengerechtigkeit durch gute Bildung, eine funktionierende Infrastruktur, Sicherheit, Justiz und der soziale Ausgleich sind Eckpfeiler unserer Sozialen Marktwirtschaft. Weil ich diese Qualitätsstandards erhalten will, setze ich mich für Steuererhöhungen ein. Steuererhöhungen sind auch zumutbar, denn Deutschland ist in einer privilegierten Position: Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern haben wir das Potenzial, uns am eigenen Schopf aus dem Verschuldungssumpf zu ziehen.Den maroden öffentlichen Haushalten steht ein gewaltiges, stark gewachsenes Privatvermögen gegenüber. Tatsächlich hat sich zeitgleich zum Aufwuchs der öffentlichen Schulden ein unglaublicher Anstieg des privaten Vermögens vollzogen. Während das Nettovermögen des deutschen Staates in den vergangenen zwanzig Jahren um mehr als 800 Mrd. Euro geschmolzen ist, hat sich das Nettovermögen der Privathaushalte mit 10 Bill. Euro mehr als verdoppelt. Noch nie war Deutschland so reich wie heute. Ein reicher Staat mit verschuldeten Haushalten: Welche Handlungsempfehlung würde die Troika wohl für unser Land aussprechen?Wir brauchen mehr Einnahmen, weil Bund und Länder nach wie vor mit hohen strukturellen Defiziten zu kämpfen haben. In Schleswig-Holstein belief sich die strukturelle Unterdeckung des Etats 2012 auf 630 Mill. Euro – bei Ausgaben von rund 9,3 Mrd. Euro. Die außerordentlich gute Konjunktur des vergangenen Jahres hat die Schieflage der öffentlichen Haushalte nur kaschiert, aber nicht behoben. Von einer nachhaltigen Deckung der öffentlichen Ausgaben und Einnahmen kann nach wie vor keine Rede sein. Über ausgeglichene Haushalte wurde lange genug gesprochen – es ist Zeit, die Probleme auch wirklich anzupacken. Steuern erhöhen und sparenFür mich sind Steuererhöhungen kein Ersatz für Sparbemühungen, sondern eine Ergänzung solider Haushaltspolitik. Selbstverständlich gehört in einem defizitären Haushalt jeder Ausgabenposten auf den Prüfstand. Eine Sparverweigerung der öffentlichen Hand vermag ich auch nicht zu erkennen. Im Gegenteil: Bis 2020 reduziert Schleswig-Holstein beispielsweise die Zahl seiner Landesbediensteten um 10 % – ein Kraftakt. Zugleich halten wir die Ausgaben der einzelnen Ressorts trotz der allgemeinen Preis- und Kostensteigerungen fast auf Vorjahresniveau.Die öffentlichen Haushalte stehen vor gewaltigen Herausforderungen: Die Pensionierungswelle bei den Beamten – für die flächendeckend nur geringe Rücklagen gebildet wurden – wird selbst in einem kleinen Bundesland wie Schleswig-Holstein zu einem Kostenanstieg von derzeit rund 0,92 auf rund 1,25 Mrd. Euro 2022 führen. Den Investitionsrückstand allein der Kommunen in Deutschland beziffert die KfW Bankengruppe auf mehr als 100 Mrd. Euro. Und dass die Kapitalmarktzinsen dauerhaft auf dem aktuellen Tief verharren, kann angesichts der öffentlichen Schuldenberge nicht Grundlage einer verantwortungsvollen Haushaltsplanung sein.Die Lage scheint düster, doch es gibt Hoffnung: Noch nie waren die deutschen Reichen so reich wie heute. Während dem wohlhabendsten Dezil 1993 noch etwa 40 % des Gesamtvermögens gehörten, sind es heute schon mehr als 60 %. Das reichste 1 % besitzt über ein Drittel des Gesamtvermögens. Zugleich wird entgegen landläufigen Vorurteilen der Löwenanteil des Gesamtsteueraufkommens – unter Einbeziehung der indirekten Steuern, besonders der Umsatzsteuer – von der breiten Bevölkerungsschicht mit mittlerem und geringem Einkommen erbracht. Deshalb ist eine Steuer wie die Vermögensteuer, die mittlere und geringe Einkommen nicht belastet, ökonomisch sinnvoll. Bei der Wiedereinführung der Vermögensteuer geht es nicht – wie gerne suggeriert wird – um eine Neidsteuer. Ebenso wenig geht es darum, das Sankt-Florians-Prinzip zum Maßstab der Steuererhebung zu machen, weil man dies am ehesten für politisch durchsetzbar hält. Es geht vielmehr darum, einen absehbaren Anstieg der Steuerlast fair und volkswirtschaftlich vernünftig zu verteilen.Das diskutierte Modell einer wiederbelebten Vermögensteuer sieht einen einheitlichen Steuersatz von 1 % – bei Freibeträgen von 2 Mill. Euro für Ledige bzw. 4 Mill. Euro für Verheiratete – vor. Selbst bei dem derzeit niedrigen Zinsniveau lässt sich die Steuer über Kapitalerträge wieder erwirtschaften, sodass die Vermögenssubstanz von der Steuer nicht berührt wird. Anders als von den Gegnern der Vermögensteuer behauptet, würden sich – dank hoher Freibeträge – auch die Erhebungskosten im Rahmen halten; das Wirtschaftsforschungsinstitut DIW geht sogar von nur 1,8 % des erzielten Aufkommens aus. Gegenstand der aktuellen Diskussion ist vor allem die Behandlung des Betriebsvermögens. Klar ist, dass die Steuer nicht zu einer wachstumshemmenden Belastung der Betriebe führen darf. Mutiges ManöverMit Steuererhöhungen in den Wahlkampf zu ziehen ist ein mutiges Manöver. Die offene Ankündigung, die Steuern erhöhen zu wollen, hat noch niemanden beliebt gemacht. Doch wer aus Angst davor, irgendwo anzuecken, lieber das Blaue vom Himmel verspricht, ist in der Politik fehl am Platz. Die Menschen spüren: Der Kreislauf der dauernden Neuverschuldung muss endlich durchbrochen werden. Der Ausstieg aus dem Schuldenstaat ist machbar. Es lohnt sich, dafür zu kämpfen.—-Monika Heinold (Grüne) ist Finanzministerin in Schleswig-Holstein. In dieser Rubrik veröffentlichen wir Kommentare von führenden Vertretern aus der Wirtschafts- und Finanzwelt, aus Politik und Wissenschaft.——–Von Monika Heinold ——-Noch nie waren die deutschen Reichen so reich wie heute. Der absehbare Anstieg der Steuerlast ist fair und ökonomisch vernünftig zu verteilen.