ITALIEN

Vertrauensvorschuss

Italiens Regierung hat gerade ihren Haushaltsentwurf für 2020 vorgelegt. Das Budget ist sehr expansiv. Das Defizit soll auf 2,2 % steigen. Das ist mehr als die 2 %, welche die Vorgängerregierung noch vereinbart hatte - und beruht zudem auf sehr...

Vertrauensvorschuss

Italiens Regierung hat gerade ihren Haushaltsentwurf für 2020 vorgelegt. Das Budget ist sehr expansiv. Das Defizit soll auf 2,2 % steigen. Das ist mehr als die 2 %, welche die Vorgängerregierung noch vereinbart hatte – und beruht zudem auf sehr optimistischen Grundannahmen. Dennoch haben die Märkte sehr positiv auf die ersten Maßnahmen der neuen Regierung reagiert. Die Finanzierungskosten für den Staat haben sich seit ihrem Amtsantritt Anfang September halbiert. Für zehnjährige Anleihen zahlte Rom zuletzt nur 0,88 % Zinsen. Im November vergangenen Jahres hatte Italien noch das Vierfache aufbringen müssen. Viele Beobachter erwarten einen weiteren Rückgang.Und auch die Investoren kommen zurück. Während ausländische Anleger bis Jahresmitte noch massiv italienische Bonds verkauft hatten, steigen sie nun wieder vorsichtig ein. Fondsboutiquen wie die französische Mandarine Gestion, die nach dem Bruch der Vorgängerregierung praktisch vollständig aus italienischen Aktien ausgestiegen waren, investieren wieder zaghaft. Und die Zuwächse am Mailänder Aktienmarkt sind deutlich höher als die an anderen europäischen Börsen, vor allem seit September. Der Aufschwung liegt aber auch an der expansiven Geldpolitik der vom Italiener Mario Draghi geführten EZB.Italiens neue Regierung genießt einen Vertrauensvorschuss der Märkte, allein schon deshalb, weil die Regierung gegenüber Brüssel deutlich konziliantere Töne anschlägt als ihre Vorgänger. Es kommt hinzu, dass die EU zu großen Zugeständnissen bereit ist, schon um zu verhindern, dass der Rechtspopulist Matteo Salvini doch noch die Macht übernimmt.Aber auch ein Vorschuss muss irgendwann eingelöst werden, und die Märkte wollen Ergebnisse sehen. Die bisher vorliegenden Fakten stimmen nicht gerade optimistisch. Denn in der Sache verfolgt Rom einen ähnlichen Kurs wie die Regierung zuvor. Das Defizit steigt, die Schulden bleiben 2020 bei über 135 %, und obendrein sind die Annahmen über die Konjunkturentwicklung oder zusätzliche Steuereinnahmen aus dem Kampf gegen die Steuerflucht sogar noch sehr optimistisch. Vertrauen ist schnell verspielt, und allein auf das Verständnis der EU und eine Revision des Stabilitäts- und Wachstumspaktes zu setzen reicht nicht aus. Der heftige Streit innerhalb der Regierung zwischen den vier Koalitionspartnern um die Budgetpolitik und Steuersenkungen stimmen nicht gerade optimistisch. Das gilt umso mehr, als Rom bisher trotz wiederholten Entgegenkommens der EU-Kommission Reformversprechen selten eingehalten hat.