NOTIERT IN BERLIN

Viel mehr Erbschaften, wenig mehr Erbschaftsteuer

45 Mrd. Euro sind wahrlich kein Pappenstiel. Dieser Betrag entspräche 15 % des diesjährigen Bundeshaushalts. Oder wäre die Summe aus Verteidigungsetat (33 Mrd. Euro) plus den Ausgaben des Entwicklungshilfeministeriums (6,5) sowie des...

Viel mehr Erbschaften, wenig mehr Erbschaftsteuer

45 Mrd. Euro sind wahrlich kein Pappenstiel. Dieser Betrag entspräche 15 % des diesjährigen Bundeshaushalts. Oder wäre die Summe aus Verteidigungsetat (33 Mrd. Euro) plus den Ausgaben des Entwicklungshilfeministeriums (6,5) sowie des Landwirtschaftsressorts (5,4 Mrd. Euro). Damit lässt sich so einiges bewegen – wenn man sie denn hat. Hat Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) jedoch nicht, weil dem Fiskus durch Erbschaftsteuervergünstigungen in den Jahren 2009 bis 2014 besagte 45 Mrd. entgangen sind. So hat es Stefan Bach errechnet, Steuerexperte am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Dafür hat er eine Studie aus dem Frühjahr um aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamts ergänzt, die Destatis Mitte der Woche veröffentlicht hatte. Demzufolge wurde in den vergangenen fünf Jahren Unternehmensvermögen in Höhe von 171 Mrd. Euro steuerfrei übertragen, der Großteil davon mit 149 Mrd. Euro in Form von Schenkungen. *Die Statistiker beobachteten dabei, dass vor allem im vergangenen Jahr das geerbte und geschenkte Vermögen um fast 55 % auf knapp 109 Mrd. Euro hochschnellte. Allein das Volumen steuerbegünstigter Übertragungen von Unternehmensvermögen verdoppelte sich nahezu auf gut 66 Mrd. Euro, wie Bach errechnete. “Offenbar haben viele Unternehmerfamilien die Diskussion vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Anlass genommen, ihre Unternehmensnachfolge zu regeln, um die weitgehenden Steuervergünstigungen noch voll zu nutzen”, urteilt der DIW-Experte. Im Dezember 2014 hatte das Bundesverfassungsgericht die geltenden Steuerprivilegien für Firmenerben als zu weitrechend gekippt. Diese pauschalen Vergünstigungen für Betriebsvermögen würden gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen. Das momentane Gesetzgebungsverfahren für eine neue Regelung halten die Spitzenverbände der Wirtschaft für unzureichend. Betriebliches Vermögen müsse stärker verschont werden. Zudem sollten auch das Umlaufvermögen sowie Vermögen zur Deckung von Pensionsverpflichtungen zum steuerlichen Betriebsvermögen zählen. *Destatis errechnete, dass die Erbschaft- und Schenkungsteuer 2014 trotz fast 55 % mehr Erbschaften und Schenkungen nur um 15 % auf rund 5,4 Mrd. Euro kletterte. Anteilig hätten damit 11,3 % des geerbten und 1,6 % des geschenkten Vermögens als Steuer gezahlt werden müssen. Nach der Steuersystematik werden hohe Vermögenswerte bessergestellt. Dagegen würden Übertragungen bei “normalen” Wohlhabenden spürbar mit der Erbschaftsteuer belastet, sofern sie die persönlichen Freibeträge übersteigen, kritisiert der DIW-Experte. “Die hohe Ungleichheit bei der Vermögensverteilung in Deutschland wird durch die Erbschaftsteuer nicht reduziert, sondern eher verstärkt”, mahnt Bach, der das Erbschaftsteueraufkommen mit jährlich etwa 5 Mrd. Euro als “sehr moderat” bezeichnet.