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Vince Cable will zurück an die Macht

Von Andreas Hippin, London Börsen-Zeitung, 20.9.2017 Vince Cable (74) hat bei seiner ersten Grundsatzrede als Vorsitzender der Liberaldemokraten angekündigt, die Partei wieder "zurück an die Regierung" zu bringen. Brexit-Befürworter nannte er...

Vince Cable will zurück an die Macht

Von Andreas Hippin, LondonVince Cable (74) hat bei seiner ersten Grundsatzrede als Vorsitzender der Liberaldemokraten angekündigt, die Partei wieder “zurück an die Regierung” zu bringen. Brexit-Befürworter nannte er “Masochisten”. Zugleich betonte er, die Partei dürfe nicht zur Ein-Punkt-Bewegung werden, die sich ausschließlich dem Kampf gegen den Austritt aus der EU widme. Man wolle ja nicht so etwas wie eine “spiegelverkehrte Ukip” werden. Er wolle “mit vernünftigen Erwachsenen bei den Konservativen, Labour und den Grünen” zusammenarbeiten, um Großbritannien im Gemeinsamen Markt und in der Zollunion zu halten, sagte der ehemalige Chefökonom des Ölkonzerns Shell auf dem Parteitag der Lib Dems in Bournemouth. Er ist der älteste Führer einer politischen Partei in Großbritannien seit Winston Churchill, der den Vorsitz bei den Tories erst mit 81 niederlegte. “Viel Schlechtes verhindert”Cable war bestrebt, sich von seinem Vorgänger Tim Farron abzusetzen, der sich wegen seiner christlichen Glaubensvorstellungen nicht an der Spitze der Partei halten konnte. Farron hatte sich bemüht, vergessen zu machen, was in den fünf Jahren der Koalitionsregierung (2010 bis 2015) mit den Konservativen geschah. Cable will dagegen mit seinem ehemaligen Amt als Wirtschaftsminister unter David Cameron für sich werben. Die Partei habe einen hohen Preis für die Beteiligung an der Macht bezahlt, gab er zu. Sie habe aber “viel Gutes getan und viel Schlechtes verhindert”, sagte er. “Das Vertrauen ging verloren. Für viele Wähler ist es so, dass wir uns immer noch kräftig abschrubben müssen, um den Geruch loszuwerden, der einem anhaftet, wenn man die Schweinereien anderer Leute wegmacht.”Bei der Wahl im Juni hatten sich die Lib Dems von acht auf zwölf Unterhausmandate verbessert – nicht zuletzt wegen der klaren Ansage, für einen “Exit vom Brexit” einzutreten. Ansonsten ist das Programm eher ein Gemischtwarenladen. Der ehemalige Labour-Politiker Cable machte seinem früheren Ruf als “linke” Stimme der Koalition mit den Tories bei seinem Auftritt in dem südenglischen Badeort alle Ehre. Er wolle den Wohnimmobilienmarkt aus dem “Würgegriff der Oligarchen und Spekulanten” befreien, kündigte er an – durch steuerliche Nachteile für ausländische Käufer, die Immobilien ausschließlich als Investment betrachten. Auch die von ihm geforderte Veränderung des Steuersystems hin zu einer “fairen Besteuerung von Vermögen” stammt wohl noch aus diesem Repertoire. Cable forderte größere Investitionen in den Breitbandausbau, die Eisenbahn und die Infrastruktur im Allgemeinen. Finanziert werden soll das alles durch Schulden.”Was das Land braucht, ist Hoffnung und Realismus”, sagte Cable. “In einem Land, das zunehmend von Ideologen und Extremisten bestimmt wird, sollten wir die große Lücke im Zentrum der britischen Politik füllen.” Wer die Lib Dems für irrelevant halte, solle über “die drei großen Katastrophen” nachdenken, die in den vergangenen Jahren von den beiden großen Parteien angerichtet worden seien: den Krieg im Irak, die Bankenkrise und den Brexit.