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Volkswirte erklären die Krise

Börsen-Zeitung, 21.10.2014 Seit Beginn der Finanzkrise steigt das Interesse für wirtschaftliche Zusammenhänge und so wundert es nicht, dass immer mehr Bücher auf den Markt kommen, die versuchen, die Ökonomie für "Otto Normalbürger" verständlich zu...

Volkswirte erklären die Krise

Seit Beginn der Finanzkrise steigt das Interesse für wirtschaftliche Zusammenhänge und so wundert es nicht, dass immer mehr Bücher auf den Markt kommen, die versuchen, die Ökonomie für “Otto Normalbürger” verständlich zu erklären. Es mehren sich aber auch die Titel, die auf Ökonomen und ihre Werke blicken, immer auf der Suche, wie die Erkenntnisse aus vergangenen Zeiten uns aus der heutigen Wirtschaftskrise führen können – die die Ökonomie als Wissenschaft allerdings nicht vorhergesehen hat. Kaum ein ehemaliger oder amtierender Chefvolkswirt in deutschen Bankhäusern, der nicht seine Sicht zur Finanzkrise, zum Euro und dem aktuellen Geldsystem zwischen zwei Buchdeckeln verewigt hat. Neues Geldsystem schaffenSo leistet Thomas Mayer, mit Die neue Ordnung des Geldes (FBV) einen lesenswerten Beitrag zur Diskussion, wie es mit unserem Geldwesen weitergehen kann. Er propagiert den Übergang der aktuellen Passiv- zu einer Aktivgeldordnung, also zu Geld, das nicht zur Finanzierung von Verbindlichkeiten geschaffen wird. Staatliche Rückendeckung sei dann unnötig und der Verschuldung enge Grenzen gesetzt, da das Geldangebot dann unflexibel ist, d.h. “nicht mit dem Ziel vermehrt werden kann, Schulden tragfähig zu machen”, wie der frühere Chefvolkswirt der Deutschen Bank schreibt. Der Übergang könnte schrittweise erfolgen, ebenso wie im Euroraum schrittweise Währungswettbewerb entstehen könnte, “wenn einzelne Staaten oder Staatengruppen ihre nationalen Zentralbanken anwiesen, eigene Währungen als Alternativen zum Euro anzubieten und diese als Zahlungsmittel akzeptierten”. Dem stehe allerdings der politische Wille, genährt von den Profiteuren des Passivgeldsystems und der Einheitswährung entgegen. Seine Ideen sind durchaus eine Überlegung wert, es ist allerdings sehr fraglich, ob sie auch in die Realität umsetzbar sind.Einen Einblick in die politische Sicht, untermauert durch zahlreiche Reden aus Bundestagsdebatten, gibt der frühere FDP-Abgeordnete Frank Schäffler in Nicht mit unserem Geld! (FBV). In seiner Abrechnung mit der Währungspolitik ruft er den Leser dazu auf, zu helfen “den Boden für eine marktwirtschaftliche Geldordnung zu bereiten und auf den Wettbewerb der Währungen und auf die Entmachtung der Notenbanken zu setzen”. Dazu brauche es Mut, eine breite gesellschaftliche Diskussion über die tatsächliche Ursache der aktuellen Krise des Geldsystems und einen Wandel der Gesellschaft. In dieselbe Richtung geht auch das Buch zweier weiterer Vertreter der Österreichischen Schule der Nationalökonomie – Geldreform (FBV) von Thorsten Polleit und Michael von Prollius. Felix Martin leitet in Geld, die wahre Geschichte (DVA) eine mögliche Lösung der aktuellen Wirtschafts- und Finanzprobleme aus der historischen Entwicklung des Geldes ab. Seinen Lösungsansatz, eine Bankenreform zur Milderung der stetig wachsenden Ungleichheit, muss man zwar nicht gutheißen, der geschichtliche Abriss ist allerdings beeindruckend.Der kommende Zusammenbruch des Dollar und mögliche Strategien für Anleger sind Thema von James Rickards Die Geldapokalypse (FBV), der deutschen Übersetzung des Bestsellers “The Death of Money”. Die Verflechtungen zwischen Geopolitik und globalem Kapital zu untersuchen sei noch nie so wichtig gewesen wie heute, so seine These, die durch die jüngsten Ereignisse in der Ostukraine und im Nahen Osten gestützt wird. Der Kollaps des Dollar und des internationalen Währungssystems sind für Rickard dasselbe – als Bedrohung nennt er unter anderem verlorenes Vertrauen, als Lösung Investitionen in Gold, Land und tatsächlich: Cash.Zwar schon etwas älter, aber immer noch aktuell sind einige weitere Bücher, die sich mit dem Euro auseinandersetzen, wie etwa Europas unvollendete Währung (Wiley), in dem Thomas Mayer untersucht, wie es mit dem Euro weitergeht. Holger Schmieding analysiert in Unser gutes Geld (Murmann) warum wir den Euro brauchen, ebenso wie Peter Bofinger in Zurück zur D-Mark? (Droemer). Michael Heise wirbt in Europa nach der Krise (Springer Gabler) für Beharrlichkeit beim gegenwärtigen (Spar-)Kurs sowie eine vertiefte Integration. Bei dem Buch handelt es sich um die jüngst herausgekommene Übersetzung des 2013 erschienen Emerging from the Euro Debt Crisis (Springer).Der Nobelpreisträger Paul Krugman sorgt sich in Vergesst die Krise (Campus), dass wir uns zu Tode sparen und prangert die europäische, insbesondere die deutsche, Austeritätspolitik an. Auch Josef Stiglitz, seines Zeichens ebenfalls Wirtschaftsnobelpreisträger, widmet sich in Im freien Fall (Pantheon) ebenfalls den Hintergründen der Wirtschafts- und Währungskrise und schildert mögliche Lösungswege, ebenso wie Nouriel Roubini in Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft (Goldmann). Grundlegender beschreibt Lawrende Officer in Wirtschaftswissen für Jedermann (Börsenbuchverlag) die Funktionsweise der Wirtschaft. Das eindeutig schmalste Buch zur Krise hat Daniel Stelter vorgelegt. In Die Krise (FBV) analysiert er in 77 Bildern stichpunktartig, wo die Probleme liegen und wie es weitergehen könnte.Zwar keine Lösung der Finanzkrise, aber eine Kombination zwischen aktuellem Geschehen und der ökonomischen Ideengeschichte ist Mr. Smith und das Paradies (Berenberg) von Georg von Wallwitz. Er zeigt durch diese Kombination, dass sich die öffentliche Debatte nur wenig gewandelt hat und die Ökonomie sich in den vergangenen Jahrzehnten zwar weiter entwickelt hat, aber keinen praktischen Fortschritt gemacht hat. In mal mehr, mal weniger amüsanten Anekdoten erzählt er vom Leben und Denken berühmter Ökonomen, wobei der professionelle Leser im Subtext sieht, dass die aufgestellten Gesetzmäßigkeiten eben nicht ewig sind, und eine Perspektive auf das eigene Fach bekommt. Wallwitz begibt sich in seinem Buch, das auf die gebildete Mitte abzielt, auf eine Gratwanderung, auf die er sich aber gut versteht, wie schon sein vorheriges Buch Odysseus und die Wiesel (Berenberg) bewiesen hat. Auch diesmal ist es ihm ganz gut gelungen, einerseits den ökonomisch interessierten Laien, andererseits aber auch den professionellen Leser bei der Stange zu halten. Als Einstieg in die Geschichte der Ökonomie bzw. zur Wiederauffrischung verschollen gegangenen Wissens eignet sich das Buch auf jeden Fall. Etwas enttäuschend sind aber die mehr als nur dürftig ausgefallenen Quellenhinweise. Details zu Leben und WerkIst nun das Interesse an Details zu Leben und Wirken mancher der vorgestellten Ökonomen geweckt, so existiert eine wahre Fülle an weiterführender Literatur. Wer kurz und knapp, aber dennoch anspruchsvoll weitere Informationen sucht, findet sowohl bei Frankfurter Allgemeine Buch als auch bei UTB je eine Reihe zu berühmten Ökonomen. Vom Aufbau her gleichen sich die Bücher bis auf kleine Ausnahmen: Zunächst wird das Leben des Ökonomen im Kontext seiner Zeit geschildert. Dann folgen die Vorstellung des Werkes und die Wirkung. Bei Frankfurter Allgemeine Buch tragen die Titel zu John Maynard Keynes, Adam Smith, Karl Marx, Friedrich A. von Hayek und Joseph Schumpeter und demnächst Ludwig von Mises den Zusatz “für jedermann”. Bei UTB bereits erschienen sind die Bücher zu John Stuart Mill, Walter Eucken, Smith, Hayek und Keynes. Im Vergleich sind die bei Frankfurter Allgemeine Buch erschienenen Titel etwas gefälliger zu lesen – dies gilt auch für den Band zu Smith, den das Autorenduo Heinz Kurz und Richard Sturn in beiden Verlagen untergebracht hat. Die wichtigsten Ökonomen in einem Buch versammelt haben Hans Putnoki und Bodo Hilgers. In Große Ökonomen und ihre Theorien (Wiley), das mittlerweile in der zweiten Auflage erschienen ist, stellen sie auf je maximal vier Seiten den Ökonomen und sein Werk vor und geben weiterführende Literaturhinweise.ba