Volkswirte plädieren für EZB-Tapering

Notenbank soll QE-Käufe zurückfahren - Mehrheit blickt auf September-Sitzung

Volkswirte plädieren für EZB-Tapering

ms Frankfurt – Die Europäische Zentralbank (EZB) sollte nach Einschätzung der meisten Ökonomen ihre Anleihekäufe zurückfahren – selbst wenn sie ihr Inflationsziel noch nicht erreicht hat. In einer gestern veröffentlichten Reuters-Umfrage antworteten mehr als drei Viertel der 50 befragten Volkswirte auf eine entsprechende Frage mit Ja. Die Inflation sehen sie indes auch 2018 mit im Schnitt 1,4 % unterhalb des EZB-Ziels von knapp unter 2 %.Tatsächlich erwarten sie auch, dass die EZB im September (28 Ökonomen) oder Oktober (15) eine Reduzierung ihres Wertpapierkaufprogramms Quantitative Easing (QE) ab Anfang 2018 verkündet. “Wir glauben, dass die Entscheidung für ein Tapering am ehesten getrieben ist von den Einschränkungen, die in das Programm eingebaut sind”, sagte Elwin De Groot von der Rabobank.Die EZB hat für den Herbst eine Grundsatzentscheidung über die Zukunft von QE avisiert. Bislang sind die Käufe von aktuell 60 Mrd. Euro monatlich bis Ende 2017 angesetzt. Die EZB steckt dabei in einem Dilemma: Während die Euro-Wirtschaft kräftig wächst, kommt die Inflation kaum in Fahrt. Als wahrscheinlichstes Szenario gilt derzeit eine abermalige QE-Verlängerung um einige Monate bei reduziertem Kaufvolumen. Heikle KommunikationDie Euro-Hüter stünden dabei aber vor der heiklen Aufgabe, eine solche QE-Reduzierung (Tapering) zu begründen. Sie wollen in keinem Fall, dass es wie eine Art erzwungener Exit aussieht, weil QE an selbst gesetzte Grenzen stößt. Zuletzt haben sie bereits stärker die gute Konjunktur betont. Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer hat da sogar schon von “Draghis Taper-Bluff” gesprochen: “Die EZB muss ihre Anleihekäufe bald verringern, ohne ihre Ziele wirklich erreicht zu haben.”Nicht zuletzt die Vorgabe, nicht mehr als 33 % einer Anleihe oder eines Emittenten aufzukaufen, droht die Möglichkeiten der EZB einzuschränken. Das gilt auch bei Bundesanleihen. Das Eurosystem hat deshalb zuletzt die Käufe deutscher Titel schon zurückgefahren und dafür vor allem mehr italienische Papiere gekauft als gemäß Kapitalschlüssel vorgesehen (vgl. BZ vom 8. August). Diese Option, vom Kapitalschlüssel abzuweichen, hat aber Grenzen, weil sie als politisch heikel gilt.Erschwerend hinzu kommt für die EZB die jüngste Euro-Stärke. Diese dämpft die Aussichten für eine anziehende Inflation im Euroraum. EZB-Präsident Mario Draghi hatte sich Mitte Juli noch recht entspannt gezeigt. In der Reuters-Umfrage antworteten auch 70 % der Ökonomen, dass die aktuelle Aufwertung noch kein Risiko für die Euro-Wirtschaft darstelle. Zumal bei einem raschen Anstieg deutlich über die Marke von 1,20 % hinaus könne sich das ändern. Die EZB hat den Euro sehr genau im Blick – auch wenn sie offiziell kein Wechselkursziel verfolgt.