LEITARTIKEL

Volle Kasse

Gute Nachrichten von der Steuerschätzerfront: Bund, Länder und Gemeinden werden bis 2020 etwas mehr als 42 Mrd. Euro zusätzlich einnehmen. Dabei ist die Nachricht noch besser, als sie auf den ersten Blick scheint. Denn dieser Betrag weist nur -...

Volle Kasse

Gute Nachrichten von der Steuerschätzerfront: Bund, Länder und Gemeinden werden bis 2020 etwas mehr als 42 Mrd. Euro zusätzlich einnehmen. Dabei ist die Nachricht noch besser, als sie auf den ersten Blick scheint. Denn dieser Betrag weist nur – aufsummiert über fünf Jahre – die Mehreinnahmen aus, mit denen der Arbeitskreis Steuerschätzung im November noch nicht gerechnet hatte. Tatsächlich und absolut werden die Einnahmen laut Prognose 2020 um 135 Mrd. Euro über dem Niveau von 2015 liegen und auf ein nie da gewesenes Niveau von 808 Mrd. Euro klettern. Bund, Länder und Gemeinden verfügen damit im Durchschnitt Jahr für Jahr über 27 Mrd. Euro zusätzlich.Der Druck auf eine solide Haushaltspolitik ohne Neuverschuldung bleibt hoch. Der Bund muss die Schuldenbremse bereits heute erfüllen. Dies gelingt ihm auch. Für die Länder gilt das Stichjahr 2020 – also das Jahr, bis zu dem nun die Steuerschätzung reicht. Die gute Einnahmelage verbietet jegliche Ausrede, davon abzuweichen. Die Einnahmebasis ist solide: Das Steuerplus fußt auf einem florierenden Arbeitsmarkt. Hinzu kommt eine starke Binnenkonjunktur, die das Aufkommen stärker begünstigt als ein schwungvoller Außenhandel. Die beiden Steuerarten, die am meisten bringen – Umsatzsteuer sowie Lohn- bzw. Einkommensteuer -, tragen den Zuwachs. Im Unternehmenssektor scheint das Plus bei Körperschaft- und Gewerbesteuer zögerlich auszufallen und zeigt sogar ein leichtes Minus. Dahinter verbirgt sich 2015 und 2016 nur ein Sondereffekt. Nachdem der Bundesfinanzhof in bestimmten Fällen die Anrechenbarkeit von Verlusten aus Wertpapiergeschäften in Fondsbeteiligungen positiv beschieden hat, sind Steuererstattungen im einstelligen Milliardenbereich fällig. 2017 steigt die Steuerlast dann wieder sprunghaft an.Gleichwohl vermitteln Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und seine Amtskollegen aus den Ländern den Eindruck, als fehle ihnen Geld an allen Ecken. Dabei sind die Kassen voll. Hinzu kommen spürbare Entlastungen bei den Ausgaben für die hoch verschuldeten öffentlichen Haushalte aus den niedrigen Zinsen. Die schwarze Null im Bund resultiert zwar aus Ausgabendisziplin, aber auch aus dem glücklichen Umstand einer Niedrigzinspolitik. Um schmerzhafte Kürzungen der öffentlichen Ausgaben wie in manchem anderen Land der Eurozone kommt Deutschland herum.Sorgen machen den Ministern nicht die Steuereinnahmen. Diese wachsen sogar schneller als die Wirtschaftskraft. Vielmehr machen ihnen die Ausgaben zu schaffen. Ein Teil davon ist unerwartet, wie die Kosten aus der Flüchtlingskrise. Dies betrifft nur vordergründig die Mittel für die Integration der Menschen, die hierzulande Asyl gefunden haben. Hinzu kommt mehr: Gelder zur verstärkten Sicherung nicht nur der deutschen und europäischen Grenzen; Hilfen für den Nahen Osten und europäische Anrainerstaaten, die einen Teil der Last schultern. Bislang reißen diese Ausgaben kein Loch in den Bundeshaushalt, weil Schäuble dafür Steuereinnahmen aus 2015 gebunkert hat. Hausgemachte Finanzprobleme stammen aber aus der noch immer ungelösten Finanzverteilung zwischen Bund und Ländern von 2020 an. Die Länder wollen mehr Geld vom Bund und sind mit diesen Forderungen meist erfolgreich – nach dem Prinzip alle gegen einen, gegen den Bundesfinanzminister.Auch wenn Schäuble die fiskalischen Mehreinnahmen herunterspielt, weil er sie 2017 schon verplant hat und 2018 für noch unpräzisierte Kürzungen benötigt: Die Verteilung der Mittel zwischen Staat und Privat muss neu justiert werden. Bei der kalten Progression hat die schwarz-rote Koalition nur einen kleinen Schritt getan, um den Bürgern die inflationsbedingten Steuererhöhungen zurückzugeben. Hier gibt es Nachholbedarf. Auch die Verteilung zwischen staatlichen Ausgaben für Konsum einerseits und Investitionen andererseits, in Infrastrukturen etwa für Verkehrswege und digitale Netze, ist zu prüfen. Höhere öffentliche Investitionen mit der Begründung abzulehnen, dass bereits bewilligte Mittel ohnehin nur zögerlich abfließen, ist kein Argument gegen mehr Investitionen – es ist eine Kapitulationserklärung der öffentlichen Hand, ihren Aufgaben nachzukommen. Projekte zur Steigerung der konsumtiven Staatsausgaben, wie sie die Koalition mit der “solidarischen Lebensleistungsrente” plant, muss sie sich verkneifen. Statt solcher Wahlgeschenke sollte Schwarz-Rot mehr Geld in der Tasche der Bürger belassen. Dann kann jeder selbst für sein Alter vorsorgen.——–Von Angela WefersDie Steuereinnahmen steigen bis 2020 in ungeahnte Höhen. Die Verteilung der Mittel zwischen Staat und Privat muss neu justiert werden.——-