Vorerst keine neuen Defizitverfahren

Die EU-Kommission fordert im Kampf gegen die Coronakrise weitere Investitionen, auch von Deutschland

Vorerst keine neuen Defizitverfahren

Die EU-Kommission ruft die Mitgliedstaaten zu weiteren Investitionen im Kampf gegen die Coronakrise auf – auch wenn nahezu alle Länder 2020 die Verschuldungskriterien nicht erfüllen. Auf die Einleitung von Verfahren wegen eines exzessiven Defizits will die Kommission allerdings vorerst auch verzichten.ahe Brüssel – Obwohl in diesem Jahr wohl bis auf Bulgarien alle EU-Staaten wegen der hohen Corona-Ausgaben die Verschuldungskriterien deutlich verfehlen, wird die EU-Kommission vorerst keine neuen Defizitverfahren einleiten. Dies stellte Vizepräsident Valdis Dombrovskis bei der Vorlage von länderspezifischen Empfehlungen für die nationalen Wirtschaftspolitiken klar. “Das Coronavirus hat uns getroffen wie ein Asteroid und hat ein kraterförmiges Loch in der europäischen Wirtschaft hinterlassen”, so Dombrovskis. Nun müsse man sich erst einmal darauf konzentrieren, die Volkswirtschaften der EU wieder auf einen nachhaltigen Wachstumspfad zu bringen. Auf mittelfristige finanzpolitische Vorgaben für die einzelnen Länder will die Brüsseler Behörde im Herbst noch einmal wieder zurückkommen.Die Kommission rief die Mitgliedstaaten zu verstärkten Investitionen auf. Sie sollten “alle erforderlichen Maßnahmen” ergreifen, um die Pandemie wirksam zu bekämpfen und die Wirtschaft und die anschließende Konjunkturerholung zu unterstützen, hieß es in den Empfehlungen. “Wirtschaftliche Erholung und Investitionen müssen Hand in Hand gehen.” Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni betonte, man dürfe jetzt nicht die Fehler der Vergangenheit noch einmal wiederholen. In der letzten Krise seien die Investitionen das erste Opfer gewesen. “Die heutigen Prioritäten bestehen darin, unsere Gesundheitsversorgung zu stärken, unsere Arbeitnehmer zu unterstützen und unsere Unternehmen zu retten”, sagte Gentiloni.Die EU-Kommission rief die Mitgliedstaaten dazu auf, jetzt vor allem den digitalen und ökologischen Wandel der Wirtschaft zu unterstützen. Steuern bleiben ein ThemaNach Ansicht der Behörde sollte zudem gerade in der jetzigen Zeit der Kampf gegen aggressive Steuervermeidung intensiviert werden. Elf Mitgliedstaaten wurden zudem aufgefordert, sich auch dem Kampf gegen Geldwäsche stärker zu widmen. Deutschland war nicht unter diesen Ländern.Deutschland wird in den Länder-Empfehlungen eine grundsätzlich recht gute Reaktion auf die Krise und ein gutes Gesundheitswesen bescheinigt. Dennoch sieht die Kommission auch den Bedarf, das Gesundheitssystem noch weiter zu stärken. Generell lautet die Aufforderung an Berlin, öffentliche Investitionen vorzuziehen und private Investitionen zu unterstützen, und zwar vor allem in grüne und digitale Projekte, saubere Energie, nachhaltigen Verkehr, Wohnungsbau, Bildung, Forschung und bessere Online-Dienste der Behörden.Zur Frage, wie lange die Defizitregeln noch gelockert bleiben, äußerte sich die EU-Kommission nicht. “Sobald die Voraussetzungen dafür gegeben sind, müssen wir ein Gleichgewicht zwischen haushaltspolitischer Nachhaltigkeit und Ankurbelung der Investitionen finden”, sagte Dombrovskis hierzu nur vage.Der CSU-Finanzexperte im EU-Parlament, Markus Ferber, warnte unterdessen, es gebe auch eine Zeit nach der Coronakrise. Die Schuldentragfähigkeit der Mitgliedstaaten werde weiterhin eine entscheidende Rolle spielen. “Auch wenn neue Schulden nicht auf die Defizitgrenze angerechnet werden, müssen sie später trotzdem mit Zins und Zinseszins zurückgezahlt werden”, erklärte Ferber. Zusätzliche Ausgaben sollten daher gezielt für die Bewältigung der Krise verwendet werden und dürften nicht strukturell den Staatshaushalt aufblähen.Die Brüsseler Kommission will die Erholung der Wirtschaft vor allem über den EU-Haushalt mit dem Recovery Fund unterstützen. Ein entsprechender Vorschlag für das Budget ab 2021 soll am kommenden Mittwoch vorgelegt werden. Dombrovskis kündigte bereits an, dass es bei der Verwendung der zusätzlichen Gelder auch eine Verknüpfung mit dem sogenannten Europäischen Semester geben werde. Dieses sei jetzt von entscheidender Bedeutung, wenn es darum gehe, einen koordinierten Ansatz zu verfolgen, betonte er. Daher sei es wichtig, dass die Mitgliedstaaten die länderspezifischen Empfehlungen auch umsetzen würden.