Vorkrisenniveau nicht wieder erreicht
Von Alexandra Baude, FrankfurtDie Weltfinanzkrise nach der Lehman-Pleite wirkt noch nach – nicht zuletzt in den Wachstumszahlen etlicher Volkswirtschaften, aber auch in den Köpfen von Wissenschaftlern, Notenbankern und Marktteilnehmern. Dies zeigt sich an den Diskussionen um das Wirtschaftswachstum, die unter den Stichworten “säkulare Stagnation” oder “neues Mittelmaß” geführt werden.Säkulare Stagnation, wie sie der Harvard-Ökonom Alvon Hansen in den 1930er Jahren geprägt und Ex-US-Finanzminister Larry Summers wieder populär gemacht hat, ist ein Zustand ohne Wirtschaftswachstum, verursacht durch eine chronische Unternachfrage nach Gütern und Leistungen. Dazu kommt es, wenn das geplante Sparen die geplanten Investitionen übersteigt. Gelöst werden kann das Problem der Theorie zufolge, wenn der Staat oder das Ausland die Nachfrage erhöhen. Das neue Mittelmaß, wie es der IWF vor allem 2016 beklagte, bezeichnet eine Phase zwar stabilen, aber schwachen Wachstums.Bei einem Wachstum der Weltwirtschaft von rund 3,5 % scheinen diese Beschreibungen nicht wirklich zuzutreffen. Auch die von den USA gemeldeten Raten von zuletzt im Schnitt annualisiert um die 2 % je Quartal im Quartalsvergleich oder von um die 0,5 % im Schnitt wie für Deutschland sprechen eher für ein ordentliches Wachstum.Dank kräftiger finanzieller Stimuli verlief die Erholung nach dem tiefen Wirtschaftseinbruch, den nahezu alle Volkswirtschaften 2008/2009 erlebten, unerwartet schnell (siehe Grafik). Bei einer Wirtschaftskrise, die von einer Banken- und Immobilienkrise begleitet wird, geschieht dies normalerweise nicht so kräftig. Gemäß der Theorie sollten die Volkswirtschaften nach einer V-förmig verlaufende Erholung aber schnell wieder auf den Wachstumstrend vor der Rezession zurückkehren. Dies allerdings war nicht der Fall. So haben etwa Analysten der Fed von San Francisco errechnet, dass das Potenzialniveau des US-BIP immer noch zwölf Punkte unter dem vor der Krise implizierten Niveau liegt. Aber auch die Volkswirtschaften Großbritanniens und der Eurozone liegen der Studie zufolge unter dem zu erwartenden Niveau.Als möglicher Grund werden große Verluste der Produktionskapazitäten der Wirtschaft nach der Finanzkrise genannt. Mit Blick auf die vier größten Euro-Volkswirtschaften lässt sich sagen, dass die Industrieproduktion, die so schnell wie nach dem schwarzen Freitag 1929 gefallen war, einzig in Deutschland wieder auf Vorkrisenniveau liegt. Auch war das Wachstum vor der Krise nicht nachhaltig. Möglich auch, dass es an der ungleichen Entwicklung der Einkommensverteilung liegt. Dabei werden Unternehmen und Personen mit hohen Einkommen begünstigt, die die Vermögenszuwächse nur begrenzt für Investitionen einsetzen. Die vom IWF immer wieder angemahnten Strukturreformen sowie verstärkte Investitionen könnten der Nachfrage wieder auf die Sprünge helfen – für ein nachhaltiges Wachstum.