GASTBEITRAG

Vorsicht bei der Reform der Grunderwerbsteuer

Börsen-Zeitung, 18.3.2017 Seit 2006 können die Bundesländer den Steuersatz der Grunderwerbsteuer frei wählen. Seitdem erfreut sich das einzige nennenswerte Stück Steuerautonomie, das die deutschen Bundesländer besitzen, höchster Beliebtheit. Die...

Vorsicht bei der Reform der Grunderwerbsteuer

Seit 2006 können die Bundesländer den Steuersatz der Grunderwerbsteuer frei wählen. Seitdem erfreut sich das einzige nennenswerte Stück Steuerautonomie, das die deutschen Bundesländer besitzen, höchster Beliebtheit. Die Steuersätze haben sich in dieser Zeit in den meisten Bundesländern stark erhöht – in der Spitze fast verdoppelt. Diese Entwicklung hat nun im aufkeimenden Bundestagswahlkampf die Familienpolitiker auf den Plan gerufen. Aus CDU sowie FDP wird der Ruf laut nach einem Freibetrag für Immobilienkäufer, die erworbenes Wohneigentum selbst nutzen möchten. Die Kinderzahl soll den Freibetrag je nach Vorschlag erhöhen. Ökonomisch fraglichWas sich auf den ersten Blick sehr sozial anhört, ist aus ökonomischer Sicht aus verschiedenen Gründen fraglich. Denn grundsätzlich sollte Umverteilung nicht daran ansetzen, wie Einkommen verwendet wird. Will man Familien entlasten, dann sind Freibeträge in der Einkommensteuer, Kindergeld und möglicherweise sogar eine Einkommensteuer mit Familiensplitting das bessere Mittel der Wahl, weil sie diese Entlastung bewirken, ohne gezielt in die Entscheidung einzugreifen, wer mietet und wer kauft.Steuerbefreiungen, die an den Verwendungszweck anknüpfen, machen zudem das Steuersystem unnötig kompliziert. Die Verschonungsregeln bei der Vererbung von Betriebsvermögen sind ein Paradebeispiel dafür, welches in schöner Regelmäßigkeit die Gerichte beschäftigt und die Politik zur Nachbesserung zwingt. Auch ein Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer dürfte detaillierte Missbrauchsvorschriften erforderlich machen, wenn man verhindern will, dass Investoren Häuser nur pro forma als selbstgenutztes Wohneigentum erwerben, dann aber nach kurzer Zeit vermieten und als Investitionsobjekte nutzen. Das Steuerrecht wird dadurch einmal mehr verkompliziert, Erhebungs- und Befolgungskosten steigen.Nicht zuletzt werden bei der Forderung nach Freibeträgen auch grundlegende ökonomische Zusammenhänge übersehen. Zwar ist der Erwerber eines Hauses formell der Steuerpflichtige. Ob der Käufer jedoch auch tatsächlich und in vollem Umfang die ökonomische Last trägt, ist unklar. Dies hängt davon ab, ob der Kaufpreis von der Steuer unabhängig ist oder ob er sinkt, weil sich die Steuer im Hauspreis sozusagen kapitalisiert. In letzterem Fall belastet die Steuer im Endeffekt nicht den (möglicherweise kinderreichen) Käufer, sondern den Verkäufer, dessen Familienstatus gar nicht zur Disposition steht. Mehrere internationale Studien legen in der Tat nahe, dass es solche Kapitalisierungseffekte auf Immobilienmärkten gibt. Diese können sogar so weit führen, dass der Hauspreis um mehr als 1 000 Euro sinkt, wenn die Steuer um 1 000 Euro steigt. Auch für Deutschland können solche Kapitalisierungseffekte nicht ausgeschlossen werden, erste Evidenz für den Fall von Geschosswohnungen lässt sich erkennen.Freibeträge für die Grunderwerbsteuer wären ein neuer Beleg für das ungeschriebene Handlungsprinzip der deutschen Steuerpolitik: “Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass.” Hohe Grenzsteuersätze werden oft verbunden mit den verschiedensten Ausnahmen – ohne ausreichende Prüfung, ob die damit verbundenen Ziele tatsächlich erreicht werden und das Ergebnis in angemessenem Verhältnis zu Aufwand und Nebenwirkungen steht. Sichergestellt wird damit lediglich die erhöhte Komplexität und Ineffizienz des Steuersystems. Will der Gesetzgeber vermeiden, dass immer höhere Grunderwerbsteuersätze den Immobilienmarkt unnötig lähmen – und damit nicht nur für Familien den Immobilienerwerb erschweren -, sollte er vielmehr darüber nachdenken, die Steuerautonomie der Länder durch andere, bessere Instrumente auszubauen.—-Alfons Weichenrieder, Professor für Finanzwissenschaft an der Goethe-Universität Frankfurt und Forscher am LOEWE Zentrum SAFE —-Kunka Petkova, forscht zu Steuerfragen an der Wirtschaftsuniversität Wien