Vorstoß für eine neue europäische Asylpolitik
ahe Brüssel – Die EU-Kommission hat Vorschläge für eine Reform der Asyl- und Migrationspolitik vorgelegt, die den jahrelangen Streit zwischen den Mitgliedstaaten um die Aufnahme von Flüchtlingen beenden soll. In den Mittelpunkt ihrer Strategie stellte die Brüsseler Behörde ein besseres Management innerhalb des Systems sowie schnellere Rückführungen von abgelehnten Asylbewerbern. Eine Umverteilung und verpflichtende Aufnahme von Flüchtlingen aus anderen EU-Staaten, gegen die sich vor allem die osteuropäischen Staaten vehement gewehrt hatten, soll es demnach nicht geben. Staaten können den Vorschlägen zufolge ihre “Solidarität” auch in anderer Form zeigen.EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen räumte ein, dass das derzeitige System nicht mehr funktioniere und die EU es in den letzten fünf Jahren nicht geschafft habe, dieses Problem zu lösen. Jetzt gelte es, “das richtige Gleichgewicht zwischen Solidarität und Verantwortung” zu finden, sagte die CDU-Politikerin in Brüssel. Nötig seien realistische und praktische Lösungen.Nach den Vorstellungen der EU-Kommission soll die neue gemeinsame Migrationspolitik 2023 in Kraft treten. Vorgesehen ist dann ein dreistufiges Verfahren – wobei das umstrittene Dublin-System im Prinzip erhalten bleibt. In normalen Zeiten können die EU-Staaten einander freiwillig helfen. Gerät ein Land unter Druck, kann es einen sogenannten Mechanismus für verpflichtende Solidarität auslösen. Die EU-Kommission prüft in diesem Fall, wie viele Menschen dem Land abgenommen werden müssen. Jedes andere EU-Land müsste Hilfe anbieten – entweder durch Aufnahme von Migranten oder durch anderweitige Hilfe, beispielsweise bei Abschiebungen oder beim Migrationsmanagement. In einer weiteren Krisenstufe wird die Auswahl der Hilfsmöglichkeiten geringer. Neben der Aufnahme von Migranten – dann auch solchen ohne Aussicht auf einen Schutzstatus -kann auch die Abschiebung einer bestimmten Anzahl abgelehnter Asylbewerber übernommen werden, die dann innerhalb von acht Monaten erfolgen muss.Die Vorabprüfungen an den Grenzen sollen deutlich schärfer ausfallen als bisher: Flüchtlinge werden dann registriert, ihre Fingerabdrücke genommen, Gesundheits- und Sicherheitschecks durchgeführt. Kommt der Asylbewerber aus einem Land mit geringer Anerkennungsrate – etwa Tunesien oder Marokko -, soll innerhalb von zwölf Wochen ein Grenzverfahren durchgeführt werden. Vorab verteilt werden allerdings Migranten, wenn sie in bestimmten EU-Staaten schon Geschwister haben oder dort in der Vergangenheit studiert oder gearbeitet haben. Gemischte ReaktionenAus einigen EU-Staaten – unter anderen aus Italien und Österreich – kamen verhalten positive erste Reaktionen. Die Vorschläge seien ein Schritt in die richtige Richtung, hieß es. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) begrüßte die Vorlage und kündigte an, im Zuge der deutschen EU-Ratspräsidentschaft bis Jahresende eine Einigung anzustreben.Zum Teil scharfe Kritik äußerten dagegen Hilfsorganisationen und EU-Abgeordnete. Erik Marquardt von den Grünen erklärte, die Vorschläge würden das Modell der griechischen Massenlager in Gesetzesform gießen.