Wahlergebnis erschwert Regieren in Spanien
Wahlausgang erschwert Regieren in Spanien
Konservative stärkste Kraft, aber ohne Machtoption – Sánchez versucht Neuauflage der Linksregierung – Neuwahlen möglich
Bei den vorgezogenen Parlamentswahlen in Spanien hat es keinen klaren Sieger gegeben. Der Machtanspruch der Konservativen wurde enttäuscht. Ministerpräsident Pedro Sánchez will nach dem überraschenden Achtungserfolg seiner Sozialisten weiterregieren. Doch dafür braucht er die Unterstützung der Nationalisten.
ths Madrid
Der Sieger sah am Wahlabend wie der Verlierer aus und umgekehrt. Alberto Núñez Feijóo, der Oppositionsführer und Spitzenkandidat der konservativen Volkspartei, konnte sich nicht richtig darüber freuen, dass die PP bei den vorgezogenen Parlamentswahlen am Sonntag stärkste Kraft wurde. Denn für eine Mehrheit zum Regieren reicht es nicht.
Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez strahlte dagegen über das unerwartet gute Abschneiden seiner Sozialisten der PSOE, die rechnerisch eine Möglichkeit für eine Neuauflage der Linkskoalition mit Unterstützung der Nationalisten haben. Eine solche Konstellation gestaltet sich jedoch schwierig. Neuwahlen sind eine weitere Option, das Szenario, das den Märkten am wenigsten zusagt. Die Kurse an der Madrider Börse fielen am Montag, wie jedoch oft nach einem Wahltag.
Fast alle Umfragen hatten auf einen großen Erfolg der rechten Parteien hingedeutet. Doch mit 136 von 350 Sitzen im Unterhaus ist Núñez Feijóo weit von einer Mehrheit entfernt. Dafür reichen auch nicht die 33 Abgeordneten der rechtsextremen Vox, die im Vergleich zu den Wahlen 2019 starke Verluste erlitt. Eine Minderheitsregierung von PP und Vox wird jedoch niemals die Zustimmung der nationalistischen Parteien aus Katalonien und dem Baskenland erhalten.
Núñez Feijóo besteht aber darauf, dass die Partei mit den meisten Stimmen und Sitzen das Recht auf die Regierung habe, auch wenn sich die Konservativen in einigen Regionen selbst nicht an diesen Maßstab hielten. „Noch nie wurde in diesem Land der Wahlverlierer zum Ministerpräsidenten“, erklärte Núñez Feijóo am Wahlabend. Die PP will den Sozialisten von Sánchez nun „vier oder fünf Staatspakte“ anbieten, im Gegenzug dafür, dass die PSOE eine konservative Minderheitsregierung ermöglicht. Dieser Wunsch scheint nach der aggressiven Kampagne der PP mit sehr persönlichen Attacken auf Sánchez unmöglich. Zumal die PP in ihrem Wahlprogramm ankündigt, weite Teile der Reformen und Maßnahmen der Linksregierung zurückzunehmen, wenn auch nicht im wirtschaftspolitischen Bereich.
Sánchez kann sich als eigentlicher Wahlsieger fühlen, wenn man die Ausgangslage betrachtet. Nach der herben Pleite der linken Parteien bei den kommunalen und regionalen Wahlen Ende Mai überraschte der Ministerpräsident mit der Vorverlegung der eigentlich für Ende des Jahres vorgesehenen Parlamentswahlen. Fast alle Umfragen hatten deutliche Verluste für die PSOE vorhergesagt, doch am Ende legten die Sozialisten bei den Stimmen zu und erhielten mit 122 zwei Sitze mehr als vor vier Jahren. Sánchez und seine bisherigen linken Koalitionspartner, die sich unter dem Namen Sumar neu aufgestellt hatten, haben die Option weiterzumachen. Doch dafür benötigen sie die Stimmen aller nationalistischen Parteien.
Separatisten entscheiden
Den Schlüssel zur Macht halten nun die konservativen Separatisten von Junts, deren Führer Carles Puigdemont sich nach dem illegalen Unabhängigkeitsreferendum 2017 vor der spanischen Justiz nach Brüssel absetzte. Am Montag beantragte die spanische Staatsanwaltschaft einen internationalen Haftbefehl gegen Puigdemont, nachdem das Gericht der Europäischen Union ihm vor kurzem die Immunität als EU-Parlamentarier abgesprochen hatte. Eine Auslieferung des Separatistenführers nach Spanien würde die Regierungsbildung nicht gerade erleichtern. Junts stellt als Bedingung für ihre Stimmen außerdem eine verbindliche Volksbefragung über die Unabhängigkeit Kataloniens, was die Sozialisten kategorisch ablehnen.
Sánchez will sich Zeit lassen. „Die Demokratie findet schon eine Formel, um das Regieren zu ermöglichen“, erklärte er vor der Parteispitze am Montag. Am 17. August tritt das neu gewählte Parlament zusammen. Die Analysten von Barclays glauben nicht daran, dass Sánchez‘ Bemühungen um eine Neuauflage der Koalitionsregierung Erfolg haben werden und gehen daher von Neuwahlen Ende des Jahres oder Anfang 2024 aus. Sánchez würde so den spanischen Vorsitz des EU-Rates in diesem Halbjahr zu Ende bringen.