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Wahlkampf mit angezogener Handbremse

Von Andreas Heitker, Brüssel Börsen-Zeitung, 13.4.2019 Manfred Weber kennt das Brüsseler Gerede. Das der vielen Skeptiker, die ihm, dem Spitzenkandidaten der Europäischen Volkspartei (EVP) für die anstehende Europawahl, immer noch nicht zutrauen,...

Wahlkampf mit angezogener Handbremse

Von Andreas Heitker, BrüsselManfred Weber kennt das Brüsseler Gerede. Das der vielen Skeptiker, die ihm, dem Spitzenkandidaten der Europäischen Volkspartei (EVP) für die anstehende Europawahl, immer noch nicht zutrauen, die Juncker-Nachfolge als EU-Kommissionspräsident anzutreten. Und das der politischen Analysten, die sich vorstellen können, dass der Niederbayer am Ende sogar noch aus eigenen Reihen ausgebootet werden könnte, sollte Brexit-Verhandler Michel Barnier doch noch kurzfristig in den Ring steigen.Er höre viele Gerüchte, sagte Weber dieser Tage. Besorgt sei er aber “nicht im Geringsten”. Schließlich habe er im November beim Nominierungskongress der EVP in Helsinki knapp 80 % Zustimmung erhalten. Außerdem habe er seither bei seinen vielen Reisen durch die Mitgliedsländer der EU überall viel Zustimmung für seine Kandidatur erhalten.Seit gut drei Monaten macht der CSU-Politiker mittlerweile intensiv Wahlkampf. Rund 35 000 Kilometer hat er seither innerhalb der EU zurückgelegt. 17 Mitgliedstaaten hat er schon besucht und nach eigenen Angaben dabei 24 000 Menschen getroffen. Und was hat er getan? Er habe den Menschen vor allem erst einmal zugehört, sagt Weber.Der 46-Jährige hat eine bewusst defensive Taktik gewählt. Wahlkampf mit angezogener Handbremse, könnte man auch sagen. Das lag auch daran, dass sich Weber ständig verteidigen musste, zum Beispiel, weil ihm die Verwaltungserfahrung fehlt. Und weil er sich ständig rechtfertigen musste, zum Beispiel, weil zu seiner Parteienfamilie auch Victor Orbán gehört, der ungarische Regierungschef, der mit seinen ständigen Ausfällen gegenüber Brüssel auch der EVP nachhaltig geschadet hat. Das Problem sollte nach der Suspendierung von Orbans Fidesz-Partei aus der EVP vorerst aber gelöst sein, hofft Weber. Duell gegen TimmermansNach aktuellen Prognosen – die eine mögliche britische Beteiligung an der Wahl allerdings nicht berücksichtigen – kann die Europäische Volkspartei bei der Wahl Ende Mai mit 188 Mandaten rechnen. Mit 26,7 % der Stimmen wären die Konservativen trotz kleinerer Verluste weiterhin die mit Abstand stärkste Kraft im neuen EU-Parlament. Und damit stünde Weber, der derzeitige Fraktionsvorsitzende, in der Pole-Position im Rennen um den Chefsessel der Europäischen Kommission.Als seinen größten Widersacher auf dem Weg dahin sieht Weber den Niederländer Frans Timmermans an, den Spitzenkandidaten der europäischen Sozialdemokraten. Und die in Brüssel so hochgelobte Margrethe Vestager, die bei der Wahl einem Spitzenteam der Liberalen angehört? Weber verweist darauf, dass in ihrem Heimatland Dänemark noch längst nicht klar sei, ob die EU-Wettbewerbskommissarin überhaupt noch einmal für die neue Kommission nominiert werde.Aktuell wird in ganz Europa die heiße Phase des Wahlkampfes eingeläutet. Für Weber geht es nun darum, stärker in die Offensive zu kommen. Auf Wahlkampfveranstaltungen wie in der vergangenen Woche in Brüssel spricht der Niederbayer gerne vom Sicherheitsbedürfnis der Bürger, vom Kampf gegen Terrorismus und dem Schutz der EU-Außengrenzen, von der Sicherung des europäischen “Way of Life”.Wirtschaftsthemen, Steuergerechtigkeit, Ideen für die Währungsunion kommen hingegen einmal mehr nicht vor. Auch auf Webers Wahlwebseite ist hierüber kaum etwas zu finden. Dafür, so hatten es sich die Kampagnenmanager ausgedacht, wird in Webers Wahlkampf groß das Motto “The Power of WE” plakatiert. WE wie WEber. Ob das wirklich reicht, um Kommissionspräsident zu werden? In der Brüsseler Blase bleiben viele skeptisch. “The Power of WE”Auf informeller Ebene gab es schon das eine oder andere Gespräch auf den Parlamentsfluren über mögliche künftige Koalitionen, zum Beispiel mit Guy Verhofstadt oder Udo Bullmann, den aktuellen Fraktionschefs der Liberalen und Sozialdemokraten. Für Weber, der bereits seit 2004 dem EU-Parlament angehört, ist eines nach der Wahl aber ganz klar: Es darf nur Präsident der nächsten EU-Kommission werden, wer vorher auch Spitzenkandidat seiner Partei gewesen war. Ansonsten sähe Weber die Autorität des EU-Parlaments als schwer beschädigt an. Von seinem EVP-Parteifreund Jean-Claude Juncker grenzt er sich jetzt schon deutlich ab: Der Luxemburger sei auch als Kommissionspräsident immer ein Mann des Rates gewesen, also der Mitgliedsländer. Er werde dagegen ein Mann des Parlaments.