Warnung vor der Entsinnlichung des Geldes
Von Stephan Lorz, FrankfurtDas Auslaufen der 500-Euro-Note, die Debatte über die Einführung einer Bargeldobergrenze in Deutschland oder die Forderung nach einer Abschaffung des Bargelds insgesamt – für die Bürger in Deutschland gehört das zusammen. Denn allen Themen ist gemeinsam, dass dem Bargeld von Ökonomen, Politikern, Notenbankern und anderen interessierten Kreisen das Misstrauen ausgesprochen wird. Die einen wollen mit diesen Schritten die Kriminalität bekämpfen, manche die Wirkung der Geldpolitik verbessern und wieder andere die Gesellschaft ins digitale Zeitalter überführen, das schließlich digital und nicht mehr analog sei.Doch die Bürger scheinen das nicht so einfach hinnehmen zu wollen, wie ihre unmittelbare Reaktion auf das Ende der 500er Note zeigte. Obwohl sie auch in der Zukunft ihren Wert behält, wechselten viele Menschen ihre gehorteten 500-Euro-Noten sofort in andere Stückelungen, wie die Bundesbank auf ihrem Bargeldsymposium darlegte.Zunehmend geht bei den Frankfurter Währungshütern nun die Sorge um, die Bürger könnten das Vertrauen in die Währung verlieren. “Vertrauen in eine Währung beginnt beim Bargeld”, sagte Bundesbankpräsident Jens Weidmann. Dies gelte für den Euro vielleicht sogar noch mehr als für andere Währungen, schließlich sei das Euro-Bargeld das sichtbarste Symbol für die europäische Integration. Forderungen nach einer Bargeldabschaffung seien daher “die falsche, völlig unverhältnismäßige Antwort auf die geldpolitischen Herausforderungen an der Nullzinsgrenze”. Dies würde “das Vertrauen der Bürger in die Geldpolitik zerstören”. Bundesbankvorstand Carl-Ludwig Thiele sekundierte: Der zügige Umtausch der 500er zeige, “dass das Vertrauen nicht so stabil ist wie unterstellt”.Geldpolitisch gibt es nach Meinung von Weidmann, Thiele und dem Wirtschaftsweisen Volker Wieland keinen Handlungsbedarf im Hinblick auf das Bargeld. Weidmann verweist auf die günstigere Konjunkturlage und den Energiepreiseinfluss bei der Inflation, der bald ausläuft. Wieland hält deshalb auch die Fixierung auf den harmonisierten Preisindex für falsch. Man sollte stärker auf den BIP-Deflator und die Kernrate (ohne Energie) achten. Die Geldpolitik sei trotz der Zinsuntergrenze wirkmächtig genug und könne ihre Ziele erreichen, “auch ohne die Verfügbarkeit von Bargeld einzuschränken”. Allein die Ankündigung von Bargeldeinschränkungen würde Ausweichreaktionen auslösen – etwa hin zu “privatwirtschaftlichen Alternativen zum öffentlichen Geldmonopol”.Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, hält Einschränkungen des Bargeldverkehrs für verfassungsrechtlich kritisch, etwa, weil die Eigentums- und Vertragsfreiheit verletzt werde, Menschen in Verträge zu unbarer Zahlung gedrängt würden. Auch die Unabhängigkeit der Notenbank sei in Gefahr, erklärte er beim Bargeldsymposium – es sei denn, die Notenbank votiere selber dafür. Papier: “Die Unabhängigkeit der Notenbank schützt die Notenbank schließlich nicht vor sich selbst.” Das für eine Bargeldobergrenze angeführte Argument der Kriminalitätsbekämpfung hält er für unhaltbar. Kriminelle würden sich ja auch im unbaren Zahlungsverkehr tummeln, zudem stelle sich die Frage, “warum sich ausgerechnet Kriminelle an eine solche Grenze halten würden”. Gefährliche DatenprofilerZentrales Argument der Verteidiger des Bargelds ist die Anonymität dieser Zahlungsverkehrsform. Dies stellt sicher, dass Käufe ohne Zwischeninstanz und Zusatzkosten abgewickelt werden können und keine Daten anfallen, die ausgewertet werden. Klaus Müller, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands, hält es für die Pflicht des Gesetzgebers, darauf zu achten, dass die Daten nicht missbraucht werden, die bei unbaren Zahlungsvorgängen anfallen. Allein die Existenz von Bargeld beschränke noch die Datensammelwut der Digitalanbieter, warnte er, weil die Bürger dem Datenprofiling ausweichen und andere Zahlungsverkehrsformen wählen könnten. Zahlungsalternativen würden auch davor schützen, dass etwa über US-Zahlungsvermittler US-Recht in Deutschland angewandt werde.Für den Philosophen Richard David Precht wäre eine Abkehr vom Bargeld ein Epochenwandel. Das Bargeld habe bislang für enormen Wohlstand und für eine Demokratisierung über Stände, Religionen und Nationen hinweg gesorgt. Eine “völlige Entsinnlichung des Geldes” würde das Effizienzdenken aber ins Extrem treiben. Früher seien “die Maschinen möglichst menschenähnlich konstruiert worden, heute werden die Menschen maschinenkompatibel gemacht”. Das verändere Denken und Handeln, es drohe die vollkommene Ökonomisierung. Precht: “Eine Abschaffung von Bargeld halte ich nicht für schlau.” ——–Ein Symposium der Bundesbank debattiert die Folgen einer Einschränkung oder gar Abschaffung des Bargelds.——-