LEITARTIKEL

Warten auf großartigen Deal

Noch hat der Blitz nicht eingeschlagen. Chinas Wirtschaftsvertrauen und das Anlegersentiment sind vom zermürbenden Handelskonflikt mit den USA und der gegenseitigen Verhängung von Strafzöllen zwar bereits schwer angegriffen, beim Blick auf die...

Warten auf großartigen Deal

Noch hat der Blitz nicht eingeschlagen. Chinas Wirtschaftsvertrauen und das Anlegersentiment sind vom zermürbenden Handelskonflikt mit den USA und der gegenseitigen Verhängung von Strafzöllen zwar bereits schwer angegriffen, beim Blick auf die nackte Außenhandelsstatistik ist hingegen noch nichts Furchterregendes zu erkennen. Auch im Oktober – dem ersten Monat, in dem die bislang von beiden Seiten verordneten Strafzollmaßnahmen voll wirksam geworden sind – scheint Chinas gut geölte Exportmaschinerie kein bisschen ins Stottern gekommen zu sein. Zuletzt stand ein zweistelliges Wachstum im Vergleich zum Vorjahr von knapp 16 % an, auch die Ausfuhren in die USA sind mit über 13 % Zuwachs denkbar flott vorangekommen. Auf der Importseite sieht man gar einen Sprung von mehr als 20 %.An den Märkten vermag die bekanntlich nie lügende Statistik allerdings keine vertrauensstiftende Wirkung zu entfalten. Bei den Analysten ist das Wort “Frontloading” in aller Munde, damit sind Vorzieheffekte gemeint, die in Erwartung einer weiteren Ausdehnung von US-Zöllen auf chinesische Waren eine besonders hektische Ausfuhraktivität bedingen. Das Spielchen dürfte auch im November und Dezember noch so weitergehen. Zu Jahresbeginn 2019 allerdings wollen die USA nach bisherigem Stand der Dinge den im September eingeführten Strafzolltarif auf Warengruppen im Umfang von 200 Mrd. Dollar von 10 % auf 25 % signifikant erhöhen.Ab Februar droht dann eine Einführung von Strafzöllen auf weitere Produkte im Wert von über 265 Mrd. Dollar und damit eine Komplettbelegung praktisch aller chinesischer Ausfuhren Richtung Amerika. Das dürfte bedeuten, dass China spätestens im Frühjahr ein gewaltiger Einbruch der Exportaktivität bevorsteht. Anders als die Außenhandelsstatistik zeigen die einschlägigen Einkaufsmanagererhebungen für Chinas Industrie bereits eine deutliche Eintrübung mit stark schrumpfenden Indexwerten für Exportaufträge an. Vor dem Hintergrund einer bereits deutlich abkühlenden Binnenkonjunktur wird die außenwirtschaftliche Flanke zu einer ernsthaften Herausforderung, mit der Chinas Wachstumsziel von jährlich 6,5 % ab 2019 aus den Latschen zu kippen droht.Die große Frage ist nun, inwieweit sich die Alarmstimmung im Reich der Mitte auch auf eine Bereitschaft zu Konzessionen im bilateralen Zwist mit den USA abfärbt. US-Präsident Donald Trump, der sich am längeren Hebel wähnt, hat es in den vergangenen Monaten verstanden, auf eine geradezu genüssliche Art das Drohpotenzial hochzuschrauben. Nun sieht er die Zeit für einen “großartigen Deal”, gekommen, wenn Ende November beim G20-Gipfel in Buenos Aires das nächste Tete-à-Tete mit Chinas Präsident Xi Jinping ansteht. Wie ein solcher aussehen mag, kann nur in Umrissen erahnt werden. Klar ist aber bereits, dass es nicht nur um die Reduzierung des zuletzt immer weiter wachsenden Handelsdefizits der USA mit China gehen wird, sondern vor allem auch um das berühmte Level Playing Field für amerikanische beziehungsweise ausländische Unternehmen bei ihren Tätigkeiten in China.Peking wird sich nie und nimmer auf US-Forderungen einlassen, ihr staatsgelenktes Wirtschaftssystem und den industriepolitischen Aktionsplan Made in China 2025 umzukrempeln, so dass auf staatliche Subventionen oder die Offensive zur Hightech-Aufrüstung verzichtet wird. Bei den Streitpunkten für operative Freiheiten von Auslandsunternehmen, der Lockerung beziehungsweise Abschaffung des Joint-Venture-Zwangs in kritischen Sektoren, und einem wasserdichten Schutz des geistigen Eigentums gibt es aber durchaus Bewegungsspielraum.—–Von Norbert HellmannChina braucht einen Deal, um den Handelsstreit mit den USA zu entschärfen. Es gibt Möglichkeiten, gezielte Konzessionen zu machen, ohne das Gesicht zu verlieren.—–