Wartungsarbeiten am europäischen Motor
Wartungsarbeiten am europäischen Motor
Erste deutsch-französische Kabinettsklausur: Energie bleibt ein Streitthema – Gemeinsame EU-Initiative für Bürokratieabbau
Mit einer gemeinsamen zweitägigen Kabinettsklausur, die in dieser Form zum ersten Mal stattgefunden hat, haben Deutschland und Frankreich gemeinsame Positionen für wichtige Felder der künftigen EU-Politik gesucht. Im Streit um ein neues Strommarktdesign wurde dabei noch keine Lösung gefunden.
ahe Berlin
Bundeskanzler Olaf Scholz und Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron haben ihren Willen bekräftigt, beide Länder wieder gemeinsam zu einer treibenden Kraft in der EU zu machen. "Frankreich und Deutschland sind ein ganz wichtiges Paar für Europa", sagte Scholz am Dienstag nach einer zweitägigen gemeinsamen Kabinettsklausur in Hamburg. Er sei sich einer Sache sicher, betonte auch Macron. Wenn Deutschland und Frankreich blockiert seien, sei auch Europa blockiert. "Unser Motor ist wirklich auch der Motor Europas."
Eine solche zweitägige deutsch-französische Kabinettsklausur mit einem breiten Themenspektrum – hier inklusive typischen Hamburger "Schmuddelwetters" (Scholz), Hafenrundfahrt, Fischbrötchen und eines Besuchs des Airbus-Werkes – hatte es bislang noch nicht gegeben, auch wenn gemeinsame Kabinettssitzungen schon lange auf der Agenda stehen. Nach den Worten von Macron war der rote Faden der Debatten der Wille, "durch eine deutsch-französische Konvergenz ein Europa zu bauen, das stärker und souveräner ist und in einer immer unübersichtlicheren Welt auf beunruhigende Entwicklungen für unsere Bevölkerung reagieren kann". Nach Ansicht von Scholz hat sich das neue Format bewährt und sollte beibehalten werden.
Auf der reichhaltigen Agenda standen unter anderem Debatten über die Chancen der künstlichen Intelligenz (KI) und zum Thema Migration. Scholz und Macron kündigten eine gemeinsame EU-Initiative zum Bürokratieabbau an, an der jetzt unter anderem die beiden Wirtschaftsminister Robert Habeck und Bruno Le Maire arbeiten werden. Keine Einigung gab es allerdings in Hamburg bei dem aktuellen Streit, wie das Design des künftigen EU-Strommarktes aussehen soll, das sich auch auf die Preisbildung niederschlagen wird, sowie welche Stromsubventionen für die Industrie möglich sein sollen.
Atomkraft und Goethe-Institute
Macron kündigte eine Verständigung bis Monatsende an. Scholz sprach lediglich von intensiven und konstruktiven Gesprächen, in denen er "Zeichen" gesehen habe, "dass wir da miteinander vorankommen wollen". Frankreich hat bisher von der EU-Kommission einen niedrigen Industriestrompreis bis 2025 genehmigt bekommen. Deutschland und andere EU-Staaten wehren sich dagegen, dass Frankreich seiner Industrie danach in erweitertem Maße Atomstrom zu sehr günstigen Konditionen anbieten kann.
Macron warnte, man dürfe in der Debatte nicht erneuerbare Energien gegen Atomstrom ausspielen. Priorität habe, ein Europa mit einer kohärenten Strategie bekommen zu haben – insbesondere gegenüber den USA, die weniger abhängig von Energieimporten seien und in den nächsten fünf bis zehn Jahren niedrigere Preise hätten. "Das ist ein Problem der Wettbewerbsfähigkeit", so Macron.
Im deutsch-französischen Verhältnis sorgt die Energiepolitik immer wieder für Streit. Zuletzt hatte die Einstufung der Atomenergie als "grüne Energie" im Zuge der EU-Taxonomie zu kontroversen Diskussionen geführt. Eine andere aktuelle Debatte im bilateralen Verhältnis versuchte Scholz am Dienstag herunterzuspielen: die angekündigte Schließung von drei der fünf in Frankreich ansässigen Goethe-Institute, die zu Protesten von Vereinen und Künstlern geführt hatte. Der Vorstand des unabhängigen Instituts habe Entscheidungen getroffen, die man gemeinsam zur Kenntnis genommen habe, sagte der SPD-Politiker. Man könne aber sicher sein, "dass es eine starke Präsenz des Goethe-Instituts in Frankreich auch in Zukunft geben wird".
Einig sind sich Scholz und Macron bei einem anderen Thema, nämlich der Bedeutung der Reform des europäischen Asylsystems, die beide Seiten nun "kraftvoll vorantreiben" wollen. Auch an der weiteren Unterstützung der Ukraine wollen weder Scholz noch Macron irgendwie rütteln. Für die langfristige Unterstützung werden gerade bilaterale Sicherheitszusagen mit der Ukraine verhandelt.