Warum der EU-Klimazoll Unternehmen ins Schwitzen und Ökonomen ins Schwärmen bringt
EU-Klimazoll fordert Unternehmen
CO2-Grenzausgleich tritt in Kraft – Verbände: Kaum Vorbereitungszeit – Ökonomen: Baustein eines Klimaclubs
Manche Ökonomen schwärmen, für die Wirtschaft wird es ernst: Die erste Phase des neuartigen CO2-Grenzausgleichsmechanismus in der Europäischen Union startet. Zahlen müssen die Unternehmen erst ab 2026. Doch der Verwaltungsaufwand beginnt schon jetzt. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Klimazoll CBAM.
rec Brüssel
CBAM: Dieses Kürzel bringt so manchen Ökonomen ins Schwärmen und so manches Unternehmen ins Schwitzen. Ab 1. Oktober greift in der Europäischen Union dieser neuartige Klimazoll, der weltweit erste seiner Art. Nach verbreiteter Auffassung in der Wirtschaft wird dessen Umsetzung so schwierig, wie der gesamte Name vermuten lässt: CO2-Grenzausgleichsmechanismus.
- Was ist CBAM?
Das Kürzel steht für Carbon Border Adjustment Mechanism. Unternehmen haben die Aufgabe, beim Import von Eisen, Stahl, Strom, Düngemitteln, Zement und Wasserstoff den jeweiligen CO2-Gehalt zu ermitteln und auszuweisen, der bei der Produktion im Ausland angefallen ist. Das gilt für die gesamte Wertschöpfungskette: Grundstoffe sind ebenso zu erfassen wie Schrauben und andere verarbeitete Güter.
- Wozu der Aufwand?
Die EU-Gesetzgeber verfolgen mit CBAM im Wesentlichen drei Ziele. Sie wollen die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen auf den Weltmärkten sichern, weil diese über den EU-internen Emissionshandel mehr und mehr für Klimaschutz zahlen. Sie wollen verhindern, dass deshalb CO2-intensive Produktion ins außereuropäische Ausland abwandert, im Fachjargon Carbon Leakage. Nebenbei will sich die EU-Kommission mit dem Klimazoll eine zusätzliche Einnahmequelle für den EU-Haushalt erschließen.
- Wie funktioniert CBAM?
Importeure sollen ab 2026 draufzahlen, wenn der CO2-Ausstoß in der Produktion der erfassten Güter im Ursprungsland gar nicht oder geringer als in der EU bepreist ist. CBAM ist mit dem CO2-Emissionshandel verzahnt. Ab 2026 wird die bislang kostenlose Zuteilung von CO2-Zertifikaten schrittweise abgeschafft. Im gleichem Rhythmus steigt der Klimazoll, bis er ab 2034 vollumfänglich greift (siehe Grafik). In der Übergangsphase bis 2026 mit Dokumentations- und Berichtspflichten wird noch kein Grenzausgleich fällig.
- Sind die Unternehmen vorbereitet?
Nicht wirklich. Eine Unternehmensumfrage der Beratung Deloitte ergab Mitte August, dass 60% der betroffenen Entscheider CBAM gar nicht kennen. Nur knapp die Hälfte bereitet sich vor, 30% gar nicht. Michael Schäfer, Partner bei Deloitte, sieht für viele Unternehmen „akuten Handlungsbedarf“.
- Was sagen Verbände?
Die schlechte Vorbereitung mag auch daran liegen, dass die EU-Kommission konkrete Infos erst vor sechs Wochen zur Verfügung gestellt hat. Wolfgang Große Entrup, Chef des Chemieverbands VCI, moniert, das sei „für eine rechtskonforme Umsetzung – höflich ausgedrückt – sehr sportlich. Zumal wichtige Strukturen zur CBAM-Einführung noch immer fehlen, gerade auch in Deutschland.“
Firmen müssten sich durch Hunderte Seiten Gesetzestext und Leitlinien kämpfen und Geschäftspartnern die Regeln erklären, sagt Große Entrup. Sie „kommen sich vor wie Schüler, die ihren neuen ausländischen Mitschülern in wenigen Wochen Latein beibringen müssen – obwohl sie selbst gerade erst mit dem Lernen begonnen haben“. Volker Treier, Außenwirtschaftschef der Industrie- und Handelskammer (DIHK), nennt die Umsetzung „übereilt und sehr bürokratisch“.
- Gibt es auch Unterstützer?
Durchaus. Ökonomen sehen im Grenzausgleich einen „Baustein eines Klimaclubs“: ein internationales Bündnis von Staaten, die konzertiert den CO2-Ausstoß bepreisen und so wirtschaftliche Anreize für Klimaschutz setzen. Der Wissenschaftliche Beirat des Bundeswirtschaftsministerium warnt in seinem Gutachten allerdings auch vor negativen Folgen, falls die internationale Kooperation nicht gelingt, darunter Handelskonflikte.
Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) findet den Ansatz gut: „Die EU übernimmt weltweit eine Vorreiterrolle bei der Anwendung preisbasierter Mechanismen zur Kohlenstoffreduzierung.” Aber auch der IWF erkennt das Risiko von Handelskonflikten und pocht deshalb darauf, dass CBAM „im Einklang mit den WTO-Regeln umgesetzt wird und auf dem tatsächlichen Kohlenstoffgehalt der gehandelten Produkte basiert und nicht auf Benchmarks.”
- Sind die Einwände berechtigt?
Ja. Bei der Welthandelsorganisation (WTO) bringen Handelspartner der EU seit längerem Vorbehalte gegen den einseitigen Grenzausgleich der EU zum Ausdruck. Sie drohen mehr oder minder offen mit Gegenmaßnahmen, etwa in Form von Strafzöllen. Die US-Regierung soll Zugeständnisse an anderer Stelle daran geknüpft haben, vom CO2-Grenzausgleich ausgenommen zu werden.