Was Athen nun von der EZB zu erwarten hat

Baldige Entscheidung über Wiedereinführung des "Waiver" absehbar - Debatte über mögliche QE-Käufe

Was Athen nun von der EZB zu erwarten hat

Von Mark Schrörs, FrankfurtNach der Einigung zwischen Griechenland und seinen Geldgebern dürfte auch in der Europäischen Zentralbank (EZB) so mancher aufgeatmet haben. Damit ist sichergestellt, dass Athen im Juli rund 2,3 Mrd. Euro an die EZB und die nationalen Zentralbanken des Eurosystems zurückzahlen kann, wenn erworbene Staatsanleihen auslaufen. Zugleich stehen die Euro-Hüter aber auch vor schwierigen Entscheidungen im Umgang mit Griechenland, die noch einigen Diskussionsstoff bereithalten. EZB-Rat tagt DonnerstagIm Wesentlichen geht es für die EZB um zwei Entscheidungen: Die eine Frage ist, wann sie eine Sonderregel (“Waiver”) wieder in Kraft setzt, die es griechischen Banken erlaubt, Hellas-Staatsanleihen trotz ihres “Ramsch”-Status als Sicherheiten für EZB-Liquidität zu hinterlegen. Die zweite Frage ist, ob und wann sie im Zuge ihres Anleihenkaufprogramms (Quantitative Easing, QE) Schuldtitel Griechenlands zu kaufen beginnt.In Notenbankkreisen wird nicht ausgeschlossen, dass es in Sachen Waiver bereits bei der Zinssitzung am nächsten Donnerstag eine positive Entscheidung gibt. Sicher scheint das aber nicht. Zum einen muss Athen noch einige letzte Bedingungen der Geldgeber erfüllen. Zum anderen will die EZB womöglich den Eindruck vermeiden, dass sie gleich springt, nachdem die Euro-Finanzminister entschieden haben. Am 22. Juni trifft sich der Rat erneut. Eine Aufnahme ins QE-Programm könnte dagegen eine Sache von Wochen oder sogar Monaten sein, heißt es.Den Waiver hatte die EZB im Februar 2015 ausgesetzt, als die damals neue Regierung in Athen zunehmend auf Konfrontationskurs zu den Geldgebern gegangen war. Griechische Banken konnten seitdem keine Staatsanleihen ihres Landes als Sicherheiten für reguläre Notenbankliquidität nutzen. Stattdessen mussten sie verstärkt auf die sogenannte Notfallliquidität ELA (Emergency Liquidity Assistance) zurückgreifen. Dafür müssen sie aber einen Zinsaufschlag von 1,5 % zahlen.Nach den aktuellsten Zahlen der griechischen Zentralbank haben sich die Hellas-Banken Ende April rund 32,8 Mrd. Euro regulär bei der EZB geliehen. Der ELA-Rahmen beläuft sich aktuell auf 69,1 Mrd. Euro, nachdem er auf dem Höhepunkt des Konflikts um Griechenland im Sommer 2015 bis auf den Spitzenwert von 90,4 Mrd. Euro geklettert war.Selbst bei einer raschen Wiedereinführung des Waiver wird der ELA-Berg aber nicht schnell abschmelzen. Denn zu dem rasanten Anstieg Anfang 2015 hatte wesentlich beigetragen, dass die EZB sogenannte staatlich garantierte Schuldverschreibungen zur Eigennutzung seit 1. März 2015 nicht mehr als Sicherheiten akzeptiert. Griechische Banken hatten solche Papiere in großem Stil genutzt und mussten auf ELA ausweichen. Diese Hilfe gewährt die griechische Zentralbank, und es gibt andere Sicherheitenanforderungen.Tatsächlich dürfte bei einer Wiedereinführung des Waiver sogar nur ein geringer Teil der aktuell 69,1 Mrd. Euro unmittelbar aus ELA in reguläre EZB-Operationen umgeschichtet werden können. Die Rede ist von 5 bis 10 Mrd. Euro. Trotzdem könnte die Wiedereinführung einen psychologisch positiven Effekt für die Hellas-Banken haben. Wie viel letztlich genau umgeschichtet werden kann, hängt auch davon ab, welche Abschläge (Haircuts) der EZB-Rat für griechische Staatsanleihen festlegt. Auch diese Entscheidung muss er neu treffen. In jedem Fall dürfte das anhaltend hohe ELA-Volumen weiter für Diskussionen im EZB-Rat sorgen. Denn ELA soll nur eine temporäre Liquiditätshilfe sein.Eng verknüpft mit dem Waiver und doch auch unabhängig davon ist die Entscheidung, ob und wann die EZB Hellas-Anleihen im Zuge von QE kauft. Ein Waiver ist bei Ländern, deren Rating unter “BBB-” liegt, zwar eine Voraussetzung für QE-Käufe. Zugleich gibt es aber weitere Vorgaben. Insbesondere hat der EZB-Rat bei QE festgelegt, in der Regel maximal 33 % einer Anleihe und eines Emittenten zu kaufen. Für Länder unter einem Rettungsprogramm hat er sich zudem das Recht vorbehalten, abweichende Grenzen zu setzen, wie aus dem im Dezember verabschiedeten Rechtsakt hervorgeht. Fokus SchuldentragfähigkeitBei dieser Festlegung will der EZB-Rat insbesondere eine eigene Analyse der Schuldentragfähigkeit des betreffenden Landes vornehmen, wie EZB-Präsident Mario Draghi bereits im September 2015 gesagt hatte. Zwar erscheint es politisch nur schwer vorstellbar, dass die EZB bei einer solchen Betrachtung zu einem anderen Ergebnis kommt als die Euro-Partner. Die EZB muss aber bedenken, dass sie viel direkter ins Risiko geht, wenn sie Anleihen in ihre Bücher nimmt. Den Großteil der Titel eines Landes kauft bei QE zwar die entsprechende Zentralbank auf eigenes Risiko. Die griechische Zentralbank wäre aber kaum in der Lage, etwaige Verluste aus den bislang eingegangen Risiken allein zu tragen.Sollte sich die EZB dennoch entscheiden, im Zuge von QE Hellas-Anleihen zu kaufen und die Grenzen wie bei anderen Ländern anzusetzen, wäre der Spielraum derzeit recht gering. Denn aus dem früheren Anleihenkaufprogramm SMP (Securities Markets Programme) hält die EZB bereits griechische Anleihen. Die Rede ist von einem einstelligen Milliardenbeitrag, den die EZB derzeit im Zuge von QE zusätzlich in Hellas-Titel investieren könnte.