STREIT ÜBER EZB-POLITIK

Was das OMT-Gutachten für QE bedeutet

Kaum Hindernisse für breite Staatsanleihekäufe - EZB muss nicht bevorzugter Gläubiger sein

Was das OMT-Gutachten für QE bedeutet

Von Mark Schrörs, FrankfurtEinen Tag vor Beginn der selbst auferlegten Schweigephase vor geldpolitischen Entscheidungen hat EZB-Präsident Mario Draghi noch einmal sehr klar signalisiert, dass die Europäische Zentralbank (EZB) bereit ist, mehr zu tun – und auch in großem Stil Euro-Staatsanleihen zu kaufen. “Alle Mitglieder des Rates der Europäischen Zentralbank sind entschlossen, unserem Mandat gerecht zu werden”, sagte Draghi der “Zeit”. Es gebe natürlich Differenzen darüber, wie das geschehen sollte. “Aber es ist nicht so, dass wir unendlich viele Möglichkeiten hätten.” Alleinige VerantwortungDie gestern vorgelegten Schlussanträge des Generalanwalts des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), Pedro Cruz Villalón, zum 2012 beschlossenen Staatsanleihekaufprogramm OMT (Outright Monetary Transactions) spielen dabei Draghi und der Mehrheit im EZB-Rat, die auf breit angelegte Staatsanleihekäufe im Zuge einer Politik des Quantitative Easing (QE) dringen, in die Karten.Einerseits hat Cruz Villalón klargemacht, dass aus seiner Sicht die EZB die alleinige Verantwortung für die Währungspolitik habe und dabei “über ein weites Ermessen” verfüge. Die Gerichte sollten sich bei der Kontrolle zurückhalten, “da ihnen die Spezialisierung und Erfahrung fehlen, die die EZB auf diesem Gebiet besitzt”. Das heißt de facto: Die EZB weiß selbst am besten, was zu tun ist, und andere sollen sich möglichst wenig einmischen. Das wirft Fragen nach der demokratischen Kontrolle der sehr unabhängigen EZB auf. Für Draghi und Co. aber heißt das, dass sie weiter Spielraum gewinnen – auch wenn sie nun auf QE zusteuern.Andererseits hat Cruz Villalón sehr klar gemacht, dass seiner Einschätzung nach Staatsanleihekäufe ein legitimes wie wichtiges Instrument der EZB sind: Der EU-Vertrag “verbietet Geschäfte auf dem Sekundärmarkt nicht (weil andernfalls dem Eurosystem ein unverzichtbares Werkzeug für die ordnungsgemäße Durchführung der Währungspolitik genommen würde).” In Deutschland dagegen gibt es Bedenken, dass sie gegen das Verbot der monetären Staatsfinanzierung verstoßen könnten. Auch Bundesbankchef Jens Weidmann hatte jüngst erneut rechtliche Zweifel signalisiert. Eine solche Argumentation wird nun deutlich erschwert. Cruz Villalón stärkt damit Draghi auch für QE den Rücken.Schließlich hat Cruz Villalón drittens kaum Bedingungen aufgestellt, die als großes Problem oder gar Hindernis für ein QE erscheinen. Sicher, bei dem Verfahren ging und geht es immer “nur” um OMT. Zumal angesichts der Gleichzeitigkeit der OMT-Schlussanträge und der EZB-Sitzung am 22. Januar war aber viel spekuliert worden, inwieweit sich Folgen zumindest für das Design eines QE-Programms ergeben könnten.Im Fokus hatten vor allem zwei Aspekte gestanden: die Beteiligung der EZB bei einem Forderungsverzicht sowie die Frage nach einer Beschränkung von Käufen. Cruz Villalón sieht nun kein Problem, wenn die EZB auf den Status eines bevorzugten Gläubigers verzichtet, und er scheint auch keine Notwendigkeit für eine explizite Ex-ante-Beschränkung zu sehen. Beides kommt grundsätzlich jenen, die auf ein QE ohne Einschränkungen hinarbeiten, zupass.Bei der Frage der Beteiligung bei einem Forderungsverzicht ging es vor allem darum, ob die EZB ein Gläubiger wie jeder andere sein dürfe (“pari passu”). Im 2010 beschlossenen und 2012 eingestellten Staatsanleihekaufprogramm SMP (Securities Markets Programme) hatte sich die EZB eine bevorzugte Rolle gesichert. Das aber gilt vielen als ein Grund, warum das Programm keinen durchschlagenden Erfolg hatte, weil in dem Fall das Risiko für die restlichen Gläubiger entsprechend steigt. Bei OMT hatte die EZB deshalb darauf verzichtet. Das hatte das Bundesverfassungsgericht allerdings kritisiert und eine Änderung verlangt, um eine Umgehung des Verbots der monetären Staatsfinanzierung im EU-Vertrag auszuschließen. Cruz Villalón hält dieses Argument für “nicht überzeugend”. Draghi eröffnet das die Möglichkeit, auch bei QE an der Pari-passu-Behandlung festzuhalten – wie er es im Dezember befürwortet hatte. Bei der Frage einer Beschränkung der Staatsanleihekäufe war es nicht zuletzt darum gegangen, ob sich die EZB selbst im Voraus Grenzen setzen muss – was an den Finanzmärkten Zweifel an der Durchschlagskraft von QE wecken könnte.Das Gutachten aus Luxemburg ist also auch mit Blick auf das avisierte QE richtungsweisend. Die Befürworter eines unbegrenzten QE-Programms, das die Risiken auf der EZB-Bilanz belässt und eine Gleichstellung mit allen anderen Gläubigern vorsieht, dürfen sich bestärkt fühlen. Ob es aber genauso kommt, bleibt fraglich. So hat Frankreichs Notenbankchef Christian Noyer diese Woche Obergrenzen in die Debatte gebracht. Ein QE-Programm müsse eine klare prozentuale Obergrenze gemessen am ausstehenden Schuldenstand haben. Zudem wird im EZB-Rat heftig darum gerungen, die sonst bei geldpolitischen Geschäften übliche Risikoteilung unter den Euro-Notenbanken aufzuheben (vgl. BZ vom 20.12.2014 und vom 10. Januar). Stattdessen könnten zumindest zum Teil die nationalen Notenbanken Titel ihrer Heimatländer kaufen – auf eigenes Risiko. Das gilt den Befürwortern als Antwort auf das Problem einer Umverteilung von Risiken zwischen den Euro-Ländern über die EZB-Bilanz – und somit als Schutz der Geldpolitik vor der Fiskalpolitik.