ITALIEN IN DER KRISE

Was das Votum für die EZB bedeutet

Notenbanker ringen um verschiedene Optionen der QE-Verlängerung - Weidmann ermahnt Rom

Was das Votum für die EZB bedeutet

Von Mark Schrörs, FrankfurtMario Draghi wird das Referendum in Italien mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt haben: nicht nur, weil der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) selbst Italiener ist, sondern vor allem, weil die Lage in der drittgrößten Volkswirtschaft der Eurozone mitentscheidend für Wohl und Wehe des Währungsraums ist – und natürlich auch, weil die Abstimmung nur wenige Tage vor einer von Draghi als richtungsweisend avisierten EZB-Zinssitzung an diesem Donnerstag stattfand.Die Reaktion der internationalen Finanzmärkte auf das Nein der Italiener zur Verfassungsreform war gestern relativ gelassen. Die Börsen legten sogar zu. Allerdings stiegen die Zinsen auf italienische Staatsanleihen teils merklich. Bleibt es in den nächsten Tagen bei diesem Bild, dürfte die Sitzung zumindest nicht in einer akuten Krisenstimmung – wie so oft in der Euro-Krise – stattfinden.Allerdings dürften sich jene im EZB-Rat gestärkt fühlen, die auf eine Verlängerung des Anleihekaufprogramms (Quantitative Easing, QE) mit einem unveränderten monatlichen Kaufvolumen von 80 Mrd. Euro dringen. Die politische Unsicherheit ist nun noch größer, als sie es nach Brexit-Votum und US-Wahl ohnehin schon war. “Mario Draghi wird nicht noch zusätzlich Öl ins Feuer gießen wollen. Die Diskussion über einen vorzeitigen Ausstieg aus dem Wertpapierkaufprogramm dürfte vom Tisch sein”, sagt Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank.Tatsächlich hat wohl nicht zuletzt die Aussicht auf weitere EZB-Käufe zur verhaltenen Reaktion der Investoren beigetragen. Schon vor der Abstimmung war die weit verbreitete Erwartung von Ökonomen, dass die EZB ihre Käufe über März 2017 hinaus bis September 2017 verlängert – und das ohne Reduzierung der monatlichen Käufe (Tapering). Diese Erwartung wurde durch das Votum noch einmal verstärkt.Allerdings scheint eine solche Entscheidung keineswegs ausgemachte Sache. In Notenbankkreisen zirkulieren auch noch andere Optionen. Eine solche ist, wieder auf 60 Mrd. Euro monatlich zu gehen, wie zu Beginn des Programms – QE dafür aber gleich um neun Monate zu verlängern. Fakt ist, dass sich durch das Referendum am Ausblick für Wachstum und Inflation erst einmal nicht viel ändert. Dieser sollte aber für die EZB entscheidend sein – und da ging es zuletzt in die gewünschte Richtung. EZB-Ratsmitglied François Villeroy de Galhau sagte gestern, das Scheitern der Reform sei nicht mit dem Brexit-Votum zu vergleichen.Die große Gefahr ist indes bei alldem, dass die EZB noch sehr viel länger in der Rolle des Brandlöschers gefangen ist, wenn es in wichtigen Ländern wie Italien oder auch Frankreich politischen Stillstand gibt. Italien leider nicht nur unter den akuten Problemen der Banken. Darüber hinaus ist die Verschuldung hoch und das Potenzialwachstum gering.Bundesbankpräsident und EZB-Ratsmitglied Jens Weidmann appellierte gestern sogleich an Rom. Es sei nun “umso wichtiger (…), dass die italienische Politik überzeugende Zeichen aussendet, die wirtschaftlichen Probleme an der Wurzel anzupacken”, sagte er. Er warnte vor einer Verlangsamung der Reformen in Italien: “Das wäre nicht nur für Italien eine bedenkliche Entwicklung.”Teilweise gibt es sogar Diskussionen darüber, dass in Italien der Euro zur Disposition stehen könnte. EZB-Ratsmitglied Ewald Nowotny sagte gestern zwar, er sehe dafür “überhaupt kein Anzeichen”. Doch Allianz-Chefvolkswirt Michael Heise etwa sieht die Mitgliedschaft “irgendwann in Frage gestellt”, wenn Italien nicht in der Lage sei, Wachstum zu erzeugen und Reformen durchzusetzen. Dann aber könnte es schnell um die Zukunft des Euro überhaupt gehen – und dann käme es wohl wieder auf Draghi an, der 2012 erklärt hatte, alles zu tun (“whatever it takes”), um den Euro zu erhalten.