Was das Weidmann-Aus bedeuten würde
Von Mark Schrörs, FrankfurtFür Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, ist die Sache klar: Mit einem Aus von Bundesbankpräsident Jens Weidmann im Rennen um die Nachfolge von EZB-Präsident Mario Draghi würde ein Kurswechsel an der Spitze der Europäischen Zentralbank (EZB) in weite Ferne rücken. Insbesondere sei mehr denn je nicht mit einem klassischen Zinserhöhungszyklus zu rechnen, so Krämer.Tatsächlich haben sich in den vergangenen Monaten mit den zunehmenden Spekulationen über die Draghi-Nachfolge und einen Aufstieg Weidmanns immer mehr Fragen gestellt, was ein Präsident Weidmann für die EZB heiße – und folglich stellt sich jetzt auch die Frage, was ein Aus bedeuten würde.Kurzfristig richtet sich der Blick dabei auf den Ausstieg der EZB aus der ultralockeren Geldpolitik der Krisenjahre. Der EZB-Rat hat bereits in Aussicht gestellt, dass die Anleihekäufe (Quantitative Easing, QE) Ende 2018 eingestellt werden. Das Kaufvolumen wird sich bis dahin auf rund 2,6 Bill. Euro belaufen haben. Zugleich will der Rat aber bis weit ins Jahr 2019 hinein an den rekordniedrigen Leitzinsen festhalten. Der Schlüsselzins liegt aktuell bei 0 %, der Einlagensatz gar bei -0,4 %. Spekulationen über ExitNicht zuletzt an den Märkten war es zuletzt ein Thema, ob Weidmann den Ausstieg und die geldpolitische Normalisierung forcieren würde, wenn er EZB-Präsident wäre. In der Tat gilt es als Hardliner im Rat und hat sich wiederholt für einen schnelleren Exit und vor allem für ein zügigeres QE-Ende ausgesprochen. Zugleich hat auch er zuletzt immer wieder betont, dass die Normalisierung der Geldpolitik eine lange Zeit erfordern und die Geldpolitik noch lange expansiv bleiben werde. In der Tendenz würde er wohl einen rascheren Ausstieg bevorzugen – ohne aber die Sache zu überstürzen.Viel wichtiger aber noch ist die Frage, was ein EZB-Präsident Weidmann langfristig für die Institution EZB bedeuten würde. In der Weltfinanz- und der Euro-Schuldenkrise ist sie nicht nur zu einem, wenn nicht dem zentralen Akteur geworden, sie ist auch immer weiter in die politische Sphäre vorgerückt. Noch stärker als unter Vorgänger Jean-Claude Trichet ist sie unter Draghi stets in die Bresche gesprungen, wenn die Politik nicht handeln wollte oder konnte.Weidmann hat einige zentrale EZB-Entscheidungen abgelehnt oder zumindest kritisiert – auch deshalb ist er im Euro-Süden schlecht gelitten. Er würde sicher danach streben, die EZB wieder mehr auf ihr enges Mandat Preisstabilität zu fokussieren. Ganz sicher würde Weidmann zudem die Politik im Euroraum stärker in die Pflicht nehmen – und damit auch Berlin. Weidmann wäre damit vermutlich ein unbequemer(er) EZB-Präsident. Allerdings würde auch er sich anpassen müssen und auch können – das Amt des EZB-Präsidenten und die Verantwortung prägen. Zudem hat der EZB-Präsident zwar ein besonderes Gewicht und Einfluss, aber am Ende entscheidet stets der EZB-Rat mit aktuell 25 Mitgliedern.Wenn Weidmann nun wie Axel Weber 2012 frühzeitig aus dem Rennen ausscheiden sollte, bestünde vielmehr eine andere große Gefahr: Eine Währungsunion, bei der ein Deutscher auf dem wichtigsten Posten generell als nicht vermittelbar gilt, würde auf Dauer wohl kaum das Vertrauen und den Rückhalt der deutschen Öffentlichkeit haben.