DIE EZB LEGT NACH

Was der EZB-Kurs für andere Notenbanken bedeutet

US-Federal Reserve, Bank of Japan und Bank of England entscheiden alle nächste Woche - Erleichterung in der Schweiz - China wenig berührt

Was der EZB-Kurs für andere Notenbanken bedeutet

Von Mark Schrörs, Frankfurt, Sebastian Schmid, New York, Martin Fritz, Tokio, Daniel Zulauf, Zürich, Norbert Hellmann, Schanghai, und Andreas Hippin, LondonGeldpolitisch geht es in diesen Tagen Schlag auf Schlag. Nach der Lockerung der Europäischen Zentralbank (EZB) gestern entscheiden allein in der nächsten Woche unter anderen die Notenbanken in den USA, Japan, Großbritannien und der Schweiz. Welche Rolle spielt die EZB-Entscheidung da – und wie wirkt sich die Euro-Geldpolitik überhaupt auf andere Währungsräume aus?USA: Die Erwartungen an die US-Notenbank Fed hatten sich schon vor der jüngsten EZB-Zinssenkung drastisch reduziert. Einer Umfrage des “Wall Street Journal” zufolge hatten im Januar noch zwei Drittel der befragten US-Volkswirte mit einer weiteren Zinsanhebung im März gerechnet. Die jüngsten am gestrigen Donnerstag veröffentlichten Befragungsergebnisse zeigen derweil, dass nur noch 3 % mit einer geldpolitischen Straffung im März rechnen. Die Erwartung des nächsten Zinsschritts hat sich vorerst auf Juni verschoben. Mit der Lockerung durch die EZB hat Fed-Chefin Janet Yellen ein Argument mehr auf ihrer Seite, mit dem nächsten Zinsschritt trotz guter Arbeitsmarktdaten noch zu warten. Am Donnerstag wertete der Euro bis zum frühen Nachmittag in New York um 1,8 % auf 1,12 Dollar auf. Die Gemeinschaftswährung hat sich zuletzt deutlich robuster gegen den Greenback gezeigt, als viele Analysten noch Mitte des vergangenen Jahres prophezeit hatten. Einige hatten damals nicht nur eine Parität erwartet, sondern sogar eine Abwertung des Euro auf 90 US-Cent für möglich gehalten. Getrieben war diese Einschätzung von der Annahme eines stärkeren Auseinanderdriftens der Zinsniveaus dies- und jenseits des Atlantiks. An einer derart starken Aufwertung des Dollar ist die US-Notenbank indes sicher nicht interessiert. Seit Jahren hechelt sie dem Inflationszielwert von 2 % hinterher. Mit einem weiteren Absacken der Importpreise würde dieses in noch weitere Ferne rücken. Hinzu kommt, dass ein zu starker Dollar neue Vorteile für EU-Exporteure gegenüber ihren US-Rivalen bringen würde. Schon heute klagen amerikanische Firmen über eine Beeinträchtigung ihrer Wettbewerbsfähigkeit durch den erstarkten Dollar. Einige Ökonomen haben zuletzt selbst an einem Zinsschritt im Juni Zweifel angemeldet. Mit dem Zinsschritt der EZB dürften diese Zweifel eher nicht zurückgehen.Japan: Die unerwartet starke Lockerung der EZB erhöht den Handlungsdruck auf die Bank of Japan (BoJ). Gouverneur Haruhiko Kuroda hatte zum 9. Februar einen Strafzins von 0,1 % auf einen begrenzten Teil der Einlagen der Geschäftsbanken bei der Notenbank eingeführt. Dabei reagierte er offenbar auf die Ankündigung von EZB-Gouverneur Mario Draghi im Januar, die Geldschleusen bald weiter zu öffnen. Doch die Taktik von Kuroda ging nicht auf: Trotz Strafzins notierte der Yen bald wieder fester. Die Aktienkurse vor allem der Banken gaben nach. Kuroda hatte Mühe, seinen Kurswechsel zu verteidigen, und signalisierte, auf höhere Negativzinsen vorerst zu verzichten. Daher ist bei der BoJ-Sitzung in der nächsten Woche eine weitere Lockerung nicht zu erwarten, obwohl der Yen zum Euro nun noch stärker aufwertet. Aber im April müssten die Währungshüter ihre Inflations- und Konjunkturprognose nach unten revidieren. Dann könnte Kuroda auch in der Geldpolitik nachlegen, entweder bei den Zinsen oder den Wertpapierkäufen. Der Gouverneur muss um seine Glaubwürdigkeit am Finanzmarkt fürchten und mit neuen Maßnahmen sein Inflationsziel von 2 % bis 2017 bekräftigen.Großbritannien: Der Bank of England kommt die Leitzinssenkung der EZB ungelegen. Das starke Pfund macht der britischen Exportwirtschaft zu schaffen, deren wichtigste Kunden in der EU sitzen. Nun ist damit zu rechnen, dass sich die zuletzt beobachtete Abwertung gegen den Euro nicht weiter fortsetzt. Schließlich wird das Geschehen am Devisenmarkt weitgehend von den Erwartungen an die künftige Zinsentwicklung bestimmt. Zudem verbilligen sich dadurch Importe, was den Währungshütern den Weg zu ihrem Inflationsziel verlängern könnte. Gouverneur Mark Carney hatte bereits auf dem G 20-Gipfel in Schanghai angemerkt, der Einsatz negativer Zinsen bei gleichzeitiger Abschirmung der Kleinsparer grenze an Wechselkursmanipulation. Sollte es rund um das für den 23. Juni angesetzte Referendum über die Zukunft des Landes in Europa zu Verwerfungen an den Finanzmärkten kommen, hat Carney im Vergleich zu seinem EZB-Kollegen Draghi nun aber deutlich größeren Handlungsspielraum. Der seit 2009 unveränderte Leitzins von 0,5 % könnte weiter gesenkt werden. Zudem ließe sich das beim Zählerstand von 375 Mrd. Pfund angehaltene Anleihenkaufprogramm erneut anfahren und notfalls auch auf andere Assetklassen ausweiten.Schweiz: Die Schweizerische Nationalbank (SNB) kann aufatmen. Zwar hat die EZB den Einlagensatz für die Geschäftsbanken des Eurosystems noch etwas tiefer in das negative Territorium gestoßen, aber den Hauptrefinanzierungssatz und damit den eigentlichen Leitzins nur homöopathisch auf null Prozent gesenkt. Damit bleibt eine erhebliche Zinsdifferenz zum Schweizer Franken bestehen. Die SNB steuert den Dreimonatsfranken im Londoner Interbankenmarkt derzeit bei minus 0,8 %. Dies ist ein Grund, weshalb sich der Franken gestern im Vergleich zum Euro sogar leicht abschwächen konnte und inzwischen bei rund 1,10 sfr notiert. Der Umstand, dass der Euro auch zum Dollar zulegen konnte, lässt vermuten, dass die SNB nicht einmal zu einer Intervention gezwungen war. Die Reaktion der Finanzmärkte auf die EZB-Beschlüsse ist für die Schweiz umso erfreulicher, als das Land zunehmend unter dem forschen Negativzinsregime der SNB zu leiden beginnt. Im Fall einer Aufwertung des Frankens wäre eine weitere Verschärfung nötig geworden. Für 2016 erwarten Ökonomen im Durchschnitt eine Teuerungsrate von – 0,6 %, bei einem Wachstum von 1,1 %.China: Die in China bereits in die Abendstunden gefallene neueste Weichenstellung der EZB wurde in Peking am Donnerstag nicht kommentiert. Grundsätzlich steht die chinesische Regierung und die ihr weisungsgebundene People’s Bank of China einer ultralockeren Geldpolitik im europäischen Raum und der Debatte um die Folgen von Negativzinsen relativ indifferent gegenüber. Sie hat nämlich praktisch keinen Einfluss auf die derzeit Chinas Geldpolitik bestimmende Kapitalabflussproblematik und die Stabilisierung des Yuan-Wechselkurses. Anders sieht dies freilich bei den Entscheidungen der US-Federal Reserve aus, wo es um einen entgegengesetzten Trend, nämlich mögliche Zinsanhebungen geht. Die im Dezember eingeleitete Zinswende der Fed und künftige Folgeschritte haben in einer Zeit, da der chinesische Yuan an den Märkten unter Abwertungsverdacht steht, starke Auswirkungen auf Kapitalbewegungen aus und nach China und ein entsprechendes Destabilisierungspotenzial. Während eine Schwächetendenz des Yuan gegenüber dem Dollar geeignet ist, eigentlich angebrachte geldpolitische Lockerungsschritte zu verzögern, bringt das fortgesetzte “Easing” der EZB Chinas Zentralbank keineswegs in die Bredouille.Skandinavien: Ganz besonders unter dem Einfluss der EZB-Politik stehen die Zentralbanken kleinerer Volkswirtschaften in Europa, wie Dänemark oder Schweden. Sie wollen unbedingt verhindern, dass ihre Landeswährungen zum Euro deutlich aufwerten. Die dänische Krone ist sogar an den Euro gekoppelt. Die dänische Zentralbank hat ihren Zinsen immer wieder gesenkt, den Einlagenzins auf zeitweise – 0,75%, ehe im Januar eine Erhöhung auf – 0,65 % erfolgte. Sie hat zudem am Devisenmarkt interveniert, und 2015 stoppte Dänemark zeitweise sogar die Ausgabe von Staatsanleihen, um kein Kapital anzuziehen. Viele Beobachter fragen sich, wie lange die dänische Zentralbank durchhält. Auch die schwedische Riksbank hat ihre Geldpolitik aggressiv gelockert – wobei sie auch den EZB-Kurs im Blick hat. Ihren Einlagenzins hat sie erst im Februar auf – 0,5 % gesenkt. Zudem kauft sie Staatsanleihen, nach aktuellem Plan bis Juni für 200 Mrd. Kronen (rund 21,4 Mrd. Euro). Sie hat auch klar signalisiert, zu mehr bereit zu sein.