G20-GIPFEL IN OSAKA

Was die USA wollen

Trump denkt auch an die eigene Wiederwahl

Was die USA wollen

Von Peter De Thier, WashingtonWie bei jedem Auftritt auf dem globalen Parkett wird US-Präsident Donald Trump dem G20-Gipfel in Osaka seinen persönlichen Stempel aufdrücken wollen – und für Überraschungen gut sein. Die Preisfrage lautet, ob Trump bestehende Konflikte entschärfen oder diese anheizen und womöglich neue Krisenszenarien heraufbeschwören wird. Wie immer spielt das US-Handelsdefizit eine Rolle, das in den Augen Trumps unerfüllte Zahlungsverpflichtungen seitens der Überschussländer darstellt. Allen voran China, das 2018 im bilateralen Warenhandel einen Überschuss von 419,5 Mrd. Dollar erwirtschaftete. Es geht diesmal aber um deutlich mehr, nämlich auch Technologieführerschaft.Politische Beobachter hoffen, dass der Präsident ausnahmsweise für positive Überraschungen sorgen wird. Dazu könnte ein Tauwetter im Verhältnis zum Reich der Mitte zählen. Mit einer Einigung im Handel würde das Weiße Haus einen rauschenden Erfolg feiern und wie auch im Fall der jüngsten Einigung mit Mexiko diese als Ergebnis von Trumps angeblichem Verhandlungsgeschick verkaufen wollen. Technologien im FokusDie Spannung im Vorfeld des Gesprächs mit Staatspräsident Xi Jinping illustriert jedenfalls, wie unvorhersehbar der Ablauf ist. Verpflichtet sich Peking beispielsweise, amerikanischem Drängen nach einer Reform der erzwungenen Technologietransfers nachzugeben, dann könnte der Weg frei sein für einen Kompromiss, der auch die Märkte aufatmen ließe.Das Thema Technologieführerschaft ist dem Weißen Haus schließlich ein zentrales Anliegen. Folglich zählen Maßnahmen, um dem Diebstahl geistigen Eigentums entgegenzuwirken, zu den wichtigsten Prioritäten. Trump befürchtet, dass die USA im Bereich der Informationstechnologie den Anschluss verlieren werden, wenn amerikanische Firmen als Gegenleistungen für Beteiligungen in China auch künftig ihre Geheimnisse preisgeben müssen.Schließlich hat das Büro des Handelsbeauftragten (USTR) vorgerechnet, dass der Datenklau die US-Wirtschaft jedes Jahr bis zu 600 Mrd. Dollar kostet. Anstoß nimmt Washington aber auch an staatlichen Subventionen, mit denen Peking die eigene Tech-Industrie stützt und ihre Konkurrenzfähigkeit zu stärken versucht.Folglich will US-Handelsbeauftragter Robert Lighthizer konkrete Maßnahmen ergriffen sehen, die darauf abzielen, “wettbewerbsverzerrenden Handelspraktiken” der Chinesen einen Riegel vorzuschieben. Ein weiterer Stein des Anstoßes ist das Tauziehen um Mechanismen, welche die Einhaltung getroffener Vereinbarungen überwachen und sicherstellen. Bis heute zweifelt die US-Regierung an der ernsthaften Bereitschaft Pekings, derartige Kontrollmechanismen zuzulassen.Dass der Präsident es mit einem Handelskompromiss ernst meint, kommt aber unter anderem in der Entscheidung zum Ausdruck, geplante Waffenkäufe an Taiwan zu verschieben, eine Geste der Konzilianz gegenüber dem Reich der Mitte. Sollten sich Xis Unterhändler aber in Sachen Technologietransfer, wo Peking bisher kaum Flexibilität gezeigt hat, auf die Hinterbeine stellen und die Lenker der beiden weltgrößten Wirtschaftsmächte sich unverrichteter Dinge wieder trennen, dann droht Unheil. Denn jene Zölle für weitere 300 Mrd. Dollar an Importen aus China, mit denen Trump schon seit Monaten kokettiert, sind keineswegs vom Tisch.Unter Experten herrscht vorsichtiger Optimismus. Die meisten glauben, dass für weitreichende Grundsatzvereinbarungen die Chance vorläufig verpasst und das Zeitfenster in Osaka zu klein sei. Als realistischer gilt demnach die Hoffnung auf eine begrenzte Einigung, in der sich Peking verpflichtet, auf den Abbau des Handelsüberschusses gegenüber den USA hinzuwirken.So oder so ist Trump zuzutrauen, dass er noch in eine Reihe weiterer Fettnäpfchen tritt und mit Provokationen Wirbel macht, selbst wenn es nur darum geht, die eigene politische Basis zu mobilisieren. In Umfragen hat der Präsident nämlich gegenüber den Demokraten einiges an Boden wettzumachen. Ob ein möglicher Kompromiss mit China also wirklich Substanz hat oder nicht, Zweifel bestehen kaum, dass Trump das Rampenlicht und die globale Bühne des G20-Treffens in Osaka vor allem nutzen wird, um in der Heimat bei den eigenen Wählern zu punkten.