STREIT ÜBERS BARGELD

Was hinter den EU-Plänen steckt

Finanzminister und Notenbanker wollen Kriminalität bekämpfen - Gegner wittern weitergehende Motive

Was hinter den EU-Plänen steckt

Im Euroraum tobt eine Debatte über die Zukunft des Bargelds – wieder einmal. Was steckt hinter den Vorschlägen für Bargeldobergrenzen und die Abschaffung der 500-Euro-Banknote? Und geht das rechtlich überhaupt so einfach? Dazu auch ein Blick in einige andere Währungsräume.Von Mark Schrörs, FrankfurtDebatten über die Zukunft des Bargelds sind nicht neu. Im Gegenteil: In regelmäßigen Abständen wird über Sinn und Nutzen von Banknoten und Münzen diskutiert oder werden gar Forderungen nach deren Abschaffung laut. Jetzt allerdings hat die Diskussion in Europa durchaus an Fahrt aufgenommen: Denn zum einen dringen die EU-Finanzminister auf eine einheitliche Obergrenze für Bargeldzahlungen, und zum anderen will die Europäische Zentralbank (EZB) den 500-Euro-Schein abschaffen.Beide Vorschläge eint aus Sicht der Befürworter die Hoffnung, dadurch Kriminalität wie Geldwäsche oder Schwarzarbeit zu bekämpfen und die Finanzierung von Terror zu erschweren. “Große Bargeldsummen können leicht zur Terrorfinanzierung genutzt werden, da besteht ein Risiko”, betonte der Chef der Eurogruppe, Jeroen Dijsselbloem, jüngst. “Der 500-Euro-Schein ist ein Instrument für illegale Aktivitäten”, sagte EZB-Präsident Mario Draghi.Polizei und Strafverfolger dringen schon lange auf Beschränkungen beim Bargeld. “Obwohl nicht jeder Bargeldmissbrauch kriminell ist, nutzen alle Kriminellen früher oder später während des Geldwäschevorgangs Bargeld”, lautet ein Kernsatz aus einem im Juli 2015 veröffentlichten Bericht der EU-Polizeibehörde Europol. Tatsächlich bieten Bargeld und speziell große Banknoten theoretisch für Kriminelle enorme Vorteile: Papiergeld garantiert Anonymität, und mit dem 500er lassen sich leicht hohe Summen transportieren.Bis dato bietet Europa in Sachen Bargeldobergrenzen einen Flickenteppich: Während es etwa in Deutschland keine Beschränkungen gibt, haben andere Länder sie. In Frankreich etwa liegt diese bei 1 000 Euro, in Italien bei 3 000 Euro. Die Bundesregierung erwägt ein Limit von 5 000 Euro. Deutschland dürfe kein “Hort der Kriminellen” sein, sagte der parlamentarische Finanzstaatssekretär Michael Meister jetzt in der TV-Sendung “Anne Will”. Bundesbank skeptischAllerdings sind keineswegs alle überzeugt vom eingeschlagenen Weg. “Inwieweit ein Verbot von größeren Bargeldtransaktionen illegale Aktivitäten unterbindet, ist (…) eine offene Frage”, sagte Bundesbankpräsident Jens Weidmann unlängst im Interview der FAZ. Auch der Deutsche Richterbund zeigte sich skeptisch: Selbst die Abschaffung von Bargeld werde Terrorismusfinanzierung und Geldwäsche nicht verhindern.Und auch, was die Abschaffung des 500-Euro-Scheins betrifft, gibt es Zweifel am Handlungsbedarf – auch innerhalb der EZB selbst. Direktoriumsmitglied Yves Mersch, immerhin für Banknoten zuständig, forderte noch Anfang Februar “handfeste Beweise”, dass der 500er der Lieblingsschein von Kriminellen sei. Heißt im Umkehrschluss: Bislang sieht er solche klaren Belege nicht.Trotzdem lässt der EZB-Rat jetzt die Abschaffung der 500-Euro-Banknote durchplanen, auf die aktuell knapp 3,5 % der insgesamt 18,2 Milliarden umlaufenden Euro-Banknoten entfallen. Konkret muss dreierlei entschieden werden: wie mit der Produktion verfahren wird, wobei aktuell keine 500er gedruckt werden; wie die Ausgabe an Geschäftsbanken künftig geregelt wird; und wie es mit dem Status als gesetzlichem Zahlungsmittel weitergehen soll.Die Zweifel selbst bei Insidern schüren Spekulationen, dass es den Politikern und Notenbankern eigentlich um etwas ganz anderes geht, nämlich um einen ersten Schritt hin zur Abschaffung des Bargelds – da mögen diese noch so sehr das Gegenteil behaupten. Es sei “überhaupt nicht die Rede” davon, den Besitz von Bargeld beschränken oder verbieten zu wollen, sagte etwa Finanzminister Wolfgang Schäuble.Hintergrund für diese Sorgen ist, dass prominente Volkswirte wie der US-Ökonom Kenneth Rogoff, der Wirtschaftsweise Peter Bofinger oder auch Ex-US-Finanzminister Larry Summers für eine Abschaffung des Bargelds plädiert haben. Im vergangenen Jahr ließ auch der Chefvolkswirt der Bank of England, Andrew Haldane, aufhorchen, als er öffentlich über diese Idee sprach. Die Argumente der Bargeld-Gegner gegen den “Anachronismus” des Papiergelds (Bofinger) sind vielfältig: Mal wird auch da der Kampf gegen die Kriminalität in den Mittelpunkt gestellt, mal wird darauf verwiesen, dass Bargeld “fürchterlich teuer und ineffizient” sei (Deutsche-Bank-Chef John Cryan). Ganz offen wird aber auch über einen größeren Spielraum der Notenbanken bei Negativzinsen gesprochen. Wenn die Bürger nicht mehr auf Bargeld ausweichen könnten, sei es für die Währungshüter einfacher, noch negativere Zinsen durchzudrücken. Im Euroraum liebäugeln Draghi und Co. mit einer erneuten Zinssenkung beim Einlagensatz.Die Bargeld-Befürworter warnen dagegen vor einem fundamentalen Angriff auf die grundlegenden Freiheiten der Bürger. Ohne Bargeld gebe es keine Privatheit mehr und der Staat komme der vollständigen Kontrolle über die Bürger noch näher. Der frühere Verfassungsrichter Paul Kirchhof prägte für das Bargeld den Begriff der “gedruckten Freiheit”.—– Leitartikel Seite 8