Washingtons Kehrtwende in der Fiskalpolitik

Gegenwind kommt nun auch aus den eigenen Reihen - Starke Kritik an Infrastrukturprogramm

Washingtons Kehrtwende in der Fiskalpolitik

Peter De Thier, WashingtonDie im Dezember verabschiedete Steuerreform und der kürzlich vorgestellte Plan, 1,5 Bill. Dollar in die US-Infrastruktur zu investieren, haben Präsident Donald Trump als ausgabefreudigen Präsidenten enttarnt, der keine Rücksicht auf den drohenden, steilen Anstieg der Neuverschuldung nimmt. Denn angetreten war er als fiskalisch konservativer Republikaner, der versprach, binnen weniger Jahre das Defizit im US-Haushalt komplett abzubauen. Kritik kommt nicht nur von Ökonomen, die an dem Infrastrukturprogramm kein gutes Haar lassen. Mittlerweile hat er selbst bei republikanischen Parteifreunden für erhebliche Irritationen gesorgt, die seit Jahren für umfangreiche Etatkürzungen bei diversen Ministerien ebenso wie andere staatliche Einsparungen plädieren.Überraschen sollte die Kehrtwende nicht. Schließlich bezeichnet Trump seine Unberechenbarkeit, auch in Bezug auf politische Inhalte, als eine seiner größten Stärken. Dabei scheint er sich in diesem Fall derselben Strategie zu bedienen, die seine Firmen nicht weniger als sechs Mal in den Konkurs führten. Schon immer sagte der Immobilienunternehmer nämlich, dass er der “König der Schulden sei” und dass er “Schulden liebt”. Einen Vorgeschmack darauf, was dies für sein haushaltspolitisches Gebaren im Falle seiner Wahl bedeuten könnte, hat er schon während seiner Kandidatur gegeben: Bei den Chinesen – gemeinsam mit Japan der größte Gläubiger der USA – sollte man sich noch höher verschulden. Die Ratio dahinter: Je tiefer man bei einzelnen Gläubigern in der Kreide steht, desto stärker ist die eigene Verhandlungsposition, wenn es darum geht, unter Androhung eines Zahlungsausfalls auf Zinsvergünstigungen oder teilweise Schuldennachlässe hinzuwirken. Verschuldung steigt immensDen Präsidenten davon zu überzeugen, dass dieser fragwürdige Grundsatz in der Realwirtschaft keine Gültigkeit hat, versuchen nun zahlreiche Experten, viele von ihnen aus der eigenen Partei. Sie verweisen auf Schätzungen des Congressional Budget Office (CBO), welches davon ausgeht, dass allein aufgrund der Steuerreform das Defizit während der kommenden zehn Jahre um 1,5 Bill. Dollar höher ausfallen wird. Rechnet man dann noch den Schuldendienst hinzu, dann sei mit einem Anstieg der Neuverschuldung um 1,8 Bill. Dollar zu rechnen, meint die unabhängige Budgetbehörde. Die Schuldenquote würde demnach von derzeit 78 % im Jahr 2027 auf 97,5 % und nicht, wie noch im vergangenen Juni prognostiziert, 91,2 % steigen. Dabei ist der wahre Anteil der Staatsschulden am Bruttoinlandsprodukt (BIP) deutlich höher. Nicht berücksichtigt werden in der Quote nämlich über 5,5 Bill. Dollar an Schulden, die über getrennte Treuhandfonds verrechnet werden. Dazu gehören unter anderem die Zahlungsverpflichtungen der gesetzlichen Rentenversicherung sowie die Rentenverpflichtungen gegenüber Beamten, Angehörigen des Militärs und auch die Obligationen des Einlagensicherungsfonds FDIC.Ein noch tieferes Loch in die Staatskasse werden die Infrastrukturinvestitionen reißen. Laut Trump muss der Fiskus nur 200 Mrd. der insgesamt 1,5 Bill. Dollar bereitstellen, der bedeutendere Teil soll von den einzelnen Staaten geschultert werden. Deren Schulden aber drücken das Staatsdefizit ebenfalls nach oben. Justin Bogie, fiskalpolitischer Analyst bei dem konservativen Thinktank “Heritage Foundation”, der während des Wahlkampfs an Trumps Seite stand, bezeichnet nun das geplante Ausgabenprogramm als “nicht fundiert”. Dem Präsidenten wirft er unverblümt vor, dass “nicht einmal ein großer Verschwender wie Präsident Barack Obama das gemacht hätte”. Auch im Kongress regt sich Widerstand von republikanischer Seite. John Cornyn, einer der ranghöchsten Republikaner im Senat, will auf keinen Fall höheren Steuern als Mittel zur Gegenfinanzierung zustimmen. Zudem haben Mitglieder des konservativen Tea-Party- Flügels bereits signalisiert, dass sie auf jeden Fall gegen den Gesetzentwurf ihres Präsidenten stimmen werden. “Katastrophales Timing”Scharf gehen auch Ökonomen mit Trumps Kehrtwende in der Haushaltspolitik ins Gericht. Ian Shepherdson, Chefvolkswirt bei Pantheon Macroeconomics, bezeichnet das Ansinnen als “völlig verrückt”. Derzeit versuche die Notenbank, mit langsamen Zinserhöhungen einer Überhitzung ebenso wie steigender Inflation entgegenzuwirken. “Der Präsident will nun aber gegensteuern” und einer Wirtschaft, die sich durch Vollbeschäftigung und solides Wachstum auszeichnet, einen völlig unnötigen, zusätzlichen Schub geben. “Vor drei oder vier Jahren, als die Konjunktur deutlich schwächer war, hätte ich das gut gefunden, aber das Timing ist katastrophal”, fügt Shepherdson hinzu. Ob das Megaprogramm jemals in Gesetzesform gegossen werden kann, ist ohnehin fraglich. Im Senat ist der republikanische Vorsprung auf nur einen Sitz geschrumpft, und die Zahl jener, die erhebliche Vorbehalte anmelden, wächst zusehends.