Bundeskabinett

Wasserstoffstrategie 2.0 beschlossen

Das Bundeskabinett hat ein Update der Nationalen Wasserstoffstrategie beschlossen. Umstritten bleibt, welche Wasserstoff-Arten genau gefördert werden sollen.

Wasserstoffstrategie 2.0 beschlossen

Wasserstoffstrategie 2.0 beschlossen

Regierung sieht “neue Phase im Markthochlauf” – “Farbenstreit” geht weiter – Zwei Drittel des Bedarfs wird importiert

Das Bundeskabinett hat ein Update der Nationalen Wasserstoffstrategie beschlossen. Diese sieht nun einen beschleunigten Markthochlauf mit der hierfür nötigen Infrastruktur sowie einen bis 2030 verdoppelten Zielwert für die heimische Produktion vor. Umstritten bleibt, welche Wasserstoff-Arten genau gefördert werden sollen.

ahe Berlin

Die Bundesregierung hat die 2020 beschlossene Nationale Wasserstoffstrategie noch einmal nachgebessert. Nach Angaben der Koalition berücksichtigt das Update die höheren Ambitionen im Klimaschutz und die neuen Herausforderungen am Energiemarkt. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sprach nach dem Kabinettsbeschluss in Berlin von einer „neuen Phase im Markthochlauf“. Dieser soll sich in den kommenden Jahren deutlich beschleunigen. „Das Ambitionsniveau entlang der gesamten Wertschöpfungskette wird massiv gesteigert“, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung der zuständigen Ministerien.

Wie bereits im Vorfeld bekannt geworden war (vgl. BZ vom 19. Juli), wird das Ziel für heimische Elektrolysekapazitäten im Jahr 2030 von 5 auf mindestens 10 Gigawatt (GW) verdoppelt. Hierzu sollen unter anderem auch EU-Förderprogramme (IPCEI) und die Umsetzung der neuen EU-Erneuerbaren-Energien-Richtlinie beitragen. Nach Angaben von Habeck werden trotz dieser Erhöhungen noch zwei Drittel des Bedarfs importiert werden müssen. Eine gesonderte Importstrategie für Wasserstoff liegt noch nicht vor, sondern wird noch erarbeitet.

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Im Bereich der Infrastruktur sieht die neue Strategie bis 2027/2028 über eine EU-Förderung ein Wasserstoffstartnetz mit mehr als 1.800 Kilometern in Deutschland vor: von Erdgas umgestellte oder neu gebaute Leitungen. Das „Kernnetz“ soll nach den Worten Habecks noch in diesem Sommer geplant werden. Es soll in ein europäisches Netz von etwa 4.500 Kilometern (European Hydrogen Backbone) eingebunden werden. So soll es dann etwa eine zentrale Leitung für grünen Wasserstoff über Portugal, Spanien und Frankreich geben sowie eine aus Norden über Norwegen und die Nordsee. Bis 2030 sollten laut Strategie alle großen Erzeugungs-, Import- und Speicherzentren in Deutschland mit den relevanten Abnehmern verbunden sein.

Industrie ist zufrieden

Eine direkte finanzielle Förderung der Wasserstofferzeugung will die Bundesregierung auf die Erzeugung von „grünem“ Wasserstoff begrenzen, der also nur mit erneuerbaren Energien hergestellt wird. Neu an der Nationalen Wasserstoffstrategie ist aber, dass auch andere „Farben“ bei der Anwendung zugelassen werden, also etwa über Erdgas hergestellter Wasserstoff. Dies soll einen schnellen Aufbau und Hochlauf des Marktes sicherstellen und den Großunternehmen unter anderem in der Stahlindustrie eine Planungssicherheit für ihre anstehenden Milliardeninvestitionen geben.

„Positiv ist, dass die Strategie nun auch blauen, türkisen und orangenen Wasserstoff explizit berücksichtigt“, lobte der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). „Bis zur ausreichenden Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff ist die Industrie auf Alternativen angewiesen.“ Ähnlich sieht es der Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK): „Die Transformation wichtiger Industriezweige hängt von einer hinreichenden Verfügbarkeit von Wasserstoff ab.“

Dies sehen aber längst nicht alle so. Claudia Kemfert, Energieexpertin beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), verwies darauf, dass die Herstellung von Wasserstoff teuer sei und sich nur rechnen werde, wenn es überschüssigen und abgeschriebenen Strom aus erneuerbaren Energien gebe. „Deswegen sollte die Bundesregierung nicht auf blauen Wasserstoff der Erdgasindustrie setzen“, warnte sie. „Aus ökologischen und ökonomischen Gründen darf Wasserstoff nicht aus Öl, Gas oder Kohle hergestellt werden.“

Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) warnte in diesem Zusammenhang vor neuen Importabhängigkeiten und kritisierte, dass die neue Wasserstoffstrategie die heimischen Potenziale zur Produktion von grünem Wasserstoff nicht nutze. Allein 2021 seien in Deutschland 5.817 Gigawattstunden Erneuerbare-Energien-Strom „abgeregelt“ worden, die man besser hätte nutzen können.

Der Gesamtbedarf an Wasserstoff wird 2030 auf 95 bis 130 Terawattstunden beziffert. Das entspricht rund 3% des jährlichen Primärenergieverbrauchs.

Wertberichtigt Seite 2
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