NOTIERT IN PARIS

Weg vom alten Leben

Grün, Orange oder etwa Rot? Das ist die Frage, die sich etliche Franzosen nun Abend für Abend stellen. Denn seit Donnerstag stellt das Gesundheitsministerium jeden Tag eine Frankreich-Karte vor, in der die Départements in verschiedenen Farben...

Weg vom alten Leben

Grün, Orange oder etwa Rot? Das ist die Frage, die sich etliche Franzosen nun Abend für Abend stellen. Denn seit Donnerstag stellt das Gesundheitsministerium jeden Tag eine Frankreich-Karte vor, in der die Départements in verschiedenen Farben gekennzeichnet sind, je nachdem, wie sehr sie von der Corona-Epidemie betroffen und wie stark die Intensivstationen ihrer Krankenhäuser ausgelastet sind. Die Farben sollen darüber entscheiden, in welchem Umfang die seit dem 17. März geltenden Ausgangsbeschränkungen ab dem 11. Mai wieder gelockert werden dürfen. Derzeit sind alle Départements im Nordosten des Landes einschließlich des Großraums Paris rot, die in der Mitte gelegenen orange und der Westen sowie der Süden grün.Die für die Lockerung der Ausgangssperre entscheidende Farbgebung soll am 7. Mai bekannt gegeben werden. Welche Einschränkungen dann für die roten Départements gelten sollen, hat Premierminister Édouard Philippe bisher nicht ausgeführt. Er hat nur angedeutet, dass Parks und Grünanlagen dort weiter geschlossen bleiben müssen und dass die Gemeinden entscheiden können, ob ihre weiterführenden Schulen ab Ende Mai wieder für ein paar Wochen öffnen sollen. *Wann und wie sie an ihren Hauptwohnsitz zurückkehren können, ist eine weitere Frage, die zahlreiche Franzosen beschäftigt. Denn viele Bürger sind kurz vor Inkrafttreten der Ausgangssperre in ihr Landhaus geflüchtet. So haben mindestens 1,2 Millionen Bürger laut Daten des Telekomanbieters Orange den Großraum Paris in der Zeit vom 13. bis 20. März verlassen. Doch auch nach der Lockerung der Ausgangssperre wird es innerhalb Frankreichs Beschränkungen der Bewegungsfreiheit geben. Weiter als 100 Kilometer von seinem derzeitigen Aufenthaltsort darf sich nur entfernen, wer einen dringenden beruflichen oder familiären Grund und einen Passierschein vorweisen kann.”Wir verbieten den Franzosen nicht, an ihren Hauptwohnsitz zurückzukehren, um ab dem 11. Mai wieder zu arbeiten oder ihre Kinder wieder in die Schule zu schicken”, sagte Innenminister Christophe Castaner dem Fernsehsender LCI. Allerdings ist unklar, ob die aufs Land geflüchteten Städter überhaupt sofort wieder in die Hauptstadt zurückkehren wollen. “Wir sind hier viel besser aufgehoben als in Paris, wo wir keinen Garten haben”, sagen viele, die auch weiter im Homeoffice arbeiten können. Zumal all das, was das Pariser Leben ausmacht – Restaurants, Theater und Kinos – erst mal weiter geschlossen bleibt. *Auf den Trend zum Grünen hofft auch die Immobilienbranche. Da wegen der strengen Ausgangssperre derzeit keine Besichtigungen möglich sind, sind viele Immobilientransaktionen mehr oder weniger zum Erliegen gekommen. In den Medien melden sich jedoch inzwischen Immobilienmakler zu Wort, die einen Ansturm auf Häuser auf dem Land und auf in Städten gelegene Eigenheime mit Garten prophezeien. Er bekomme jetzt 60 Anfragen für Landhäuser pro Tag, sagt Immobilienmakler Patrice Besse. Vor der Ausgangssperre seien es nur halb so viele gewesen.Seit dem 17. März seien viele Verkaufsverhandlungen sehr schnell abgeschlossen worden, nachdem sie sich zuvor lange hingezogen hätten, berichtet die auf Luxusimmobilien spezialisierte Agentur Emile Garcin. Bei ihr sind zuletzt zahlreiche Anfragen gerade für südfranzösische Gegenden wie das Lubéron, die Camargue, die Haute-Provence und die Alpilles eingegangen. Hätten die vor allem aus Städten wie Paris, Lyon, London und New York stammenden Kunden vor der Corona-Pandemie nach Ferienhäusern gesucht, hätten sie inzwischen ihre Pläne geändert, hat der Immobilienmakler festgestellt. Sie hätten gemerkt, dass die Arbeit vom Homeoffice aus gut funktioniere. Deshalb wollten viele nun ganz aufs Land ziehen und nur noch einen kleinen Standort in der Stadt behalten. Ob es tatsächlich einen neuen Boom von Immobilien auf dem Land und mit Garten geben wird oder ob die Immobilienpreise angesichts der Rezession einbrechen, muss sich in den nächsten Monaten zeigen.