LEITARTIKEL

Weiche Landung

Jerome Powell ist weich im Chefsessel der US-Notenbank gelandet. Bei seiner ersten Pressekonferenz als Chairman der Federal Reserve Bank nach dem Treffen des Offenmarktausschusses in dieser Woche wirkte es jedenfalls so, als würde der 65-Jährige...

Weiche Landung

Jerome Powell ist weich im Chefsessel der US-Notenbank gelandet. Bei seiner ersten Pressekonferenz als Chairman der Federal Reserve Bank nach dem Treffen des Offenmarktausschusses in dieser Woche wirkte es jedenfalls so, als würde der 65-Jährige schon länger und auch ziemlich bequem auf seinem Platz sitzen. Das mag unter anderem daran liegen, dass Powell schon seit 2012 Mitglied im Führungsgremium der Notenbank ist. Das hatte aber vor allem damit zu tun, dass Powell am Mittwoch im Wesentlichen die Botschaften wiederholte, an die man sich unter seiner Vorgängerin Janet Yellen gewöhnt hatte und deren Entscheidungen Powell im Board of Governors in den vergangenen Jahren übrigens ohne Ausnahme mitgetragen hat.Kein Wunder also, dass die meisten Formulierungen Powells zur wirtschaftlichen Gesamtsituation und zu den geldpolitischen Aussichten wortgleich waren mit dem, was Yellen bei ihrer letzten Pressekonferenz als Fed-Chair im Dezember erklärt hatte, und im Wesentlichen auch den Wortlaut der Aussendung der Notenbank nach dem Treffen des Federal Open Market Committee (FOMC) im Januar wiedergaben. Bei genauerem Hinsehen ist allerdings zu erkennen, dass sich Powell bei seinem ersten Auftritt als Notenbankchef schon kräftig auf die Armlehnen gestützt hat und ein eigenes Profil als Fed-Chair erkennen ließ. Die einstimmig beschlossene Zinserhöhung auf historisch immer noch niedrige 1,5 % bis 1,75 % war am Markt zwar fast einhellig erwartet worden. Die Einschätzung des Offenmarktausschusses, dass es nach den drei in Aussicht gestellten Zinsschritten in diesem Jahr auch im nächsten Turnus im gleichen Takt weitergehen wird und 2020 ebenfalls ein höheres Tempo als bisher zu erwarten ist, hatten allerdings nicht alle Fed-Beobachter auf dem Zettel. Es wäre nicht das erste Mal im laufenden Aufschwung der US-Wirtschaft, dass die Fed die Dynamik überschätzt und am Ende weniger Zinserhöhungen als geplant vornimmt. Dass Powell ungeduldig mit dem Sessel wippt, könnte aber als Signal verstanden werden, dass er das Tempo des unter Yellen eingeschlagenen Kurses für unzureichend hält. Das dürfte viele Akteure darin bestärken, die Möglichkeit von vier Zinserhöhungen im laufenden Jahr noch nicht ganz auszuschließen.Noch sieht Powell dafür keinen Anlass, obwohl die Mitglieder des Offenmarktausschusses ihre Wachstumsprognosen für die US-Volkswirtschaft in diesem Jahr auf einen Median von 2,7 % erhöht haben. Zudem rechnen sie bereits “in den nächsten Monaten” statt wie bisher formuliert “im Laufe des Jahres” mit einem Anziehen der Inflationsrate und erwarten das Absinken der Arbeitslosenquote auf 3,6 % bis Ende des nächsten Jahres. Es wäre das niedrigste Niveau seit den Sechzigerjahren und würde deutlich unter der “natürlichen Arbeitslosenquote” von 4,5 % liegen, welche die Fed für dauerhaft vereinbar mit einer Inflation in der Größenordnung der von ihr angepeilten 2 % hält.”Wir werden wissen, dass es am Arbeitsmarkt eng wird, wenn wir eine bedeutsame Aufwärtsbewegung der Löhne sehen”, sagte Powell zum Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und Inflation und ließ dabei vielleicht einen der wichtigsten Unterschiede zu seiner Vorgängerin erkennen. Denn dem neuen Fed-Chair, der anders als Yellen keine Meriten in der ökonomischen Forschung vorzuweisen hat, scheint es vor allem auf die aktuellen Daten, nicht so sehr auf die ökonomischen Modelle anzukommen. Die Phillips-Kurve, die den Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und Inflation beschreibt, ist das eine. Doch in den vergangen Monaten haben sich die Löhne in den USA deutlich weniger stark erhöht, als es die niedrigste Arbeitslosenquote seit mehr als 17 Jahren nahelegen würde.Seinen Pragmatismus hat sich Powell unter anderem während seiner Zeit bei der Private-Equity-Gesellschaft Carlyle angeeignet. Doch auch wenn er erst sehen möchte, was ökonomische Modelle behaupten, kommt der neue Fed-Chair wohl nicht darum herum, bald eine weiche Landung der US-Volkswirtschaft einleiten zu müssen. Die schwer abzusehenden Impulse der US-Steuerreform auf der einen Seite und die negativen Einflüsse eines drohenden Handelskriegs auf der anderen Seite machen diese Aufgabe nicht leichter. Gilt der von der Phillips-Kurve beschriebene Zusammenhang, wird Powell außerdem auf eine höhere Arbeitslosenquote zielen müssen, um die Inflation im Zaum zu halten. Das ist der Fed in ihrer Geschichte selten gelungen, ohne die Volkswirtschaft dabei in eine Rezession zu manövrieren.—-Von Stefan ParaviciniDer neue Chair der Fed hat erstmals die Zinsen erhöht. Nach der weichen Landung im Chefsessel steht ein ungleich schwierigeres Manöver bevor.—-