Weidmann setzt auf "Maastricht 2.0"
Die wirtschaftlich und politisch fragile Situation im Euroraum hat der Debatte über die Zukunft der Währungsunion neue Fahrt gegeben. Auch die Notenbanker der EZB warten mit ihren ganz eigenen Ideen auf.ms/wf Frankfurt/Berlin – In der Diskussion über die Zukunft der Europäischen Währungsunion hat Bundesbankpräsident Jens Weidmann klargestellt, dass für ihn derzeit der einzig gangbare Weg die Stärkung des bestehenden EU-Regelwerks im Sinne eines Maastricht 2.0 ist – weil für eine stärkere Integration hin zu einer Fiskal- und echten politischen Union derzeit keine Bereitschaft seitens der Politik bestehe. “Ich sehe gegenwärtig keine politischen Mehrheiten für eine solche zentrale Lösung”, ließ Weidmann gestern auf Anfrage der Börsen-Zeitung mitteilen: “Solange kein umfassender Souveränitätsverzicht beschlossen wird, ist dies der Weg, der Haftung und Kontrolle in Einklang bringt.Zuvor hatte gestern ein Gastbeitrag Weidmanns, den er mit dem neuen französischen Notenbankchef François Villeroy de Galhau für die “Süddeutsche Zeitung” verfasst hatte, für Aufregung gesorgt. Dieser war vielfach so interpretiert worden, dass Weidmann und Villeroy de Galhau beispielsweise die Schaffung eines gemeinsamen Finanzministeriums für den Euroraum forderten. Zuletzt hatte sich Weidmann mehrfach eher kritisch zu den Erfolgsaussichten einer stärkeren Integration geäußert, wie sie etwa auch die Europäische Zentralbank (EZB) einfordert.Die Aussagen Weidmanns machen nun aber klar, dass sich an der generellen, altbekannten Position nichts geändert hat: Er sieht grundsätzlich zwei Wege für den Euroraum – entweder mehr Integration samt dem Abtreten nationaler Souveränität oder eine Rückbesinnung auf das Prinzip der Eigenverantwortung samt gestärkten Fiskalregeln. Weil er für Ersteres aktuell keine Bereitschaft in der Politik und der Öffentlichkeit erkennt, setzt er gegenwärtig auf Letzteres. Eine Rückbesinnung und Stärkung des Maastricht-Vertrags hat er früher auch schon selbst “Maastricht 2.0” genannt. “Diesen gilt es nachhaltig zu stärken”, so Weidmann nun mit Blick auf den Vertrag.Angesichts der wirtschaftlich wie politisch fragilen Situation im Euroraum hat zuletzt die Debatte über die Zukunft der Währungsunion neu an Fahrt aufgenommen. Bereits im Juni 2015 hatten die fünf Präsidenten der EU-Institutionen, inklusive Draghi, einen Bericht zur Weiterentwicklung der Eurozone vorgelegt. Angesichts der Flüchtlingskrise war das Thema aber zunächst in den Hintergrund getreten. Weidmann hatte den Fünf-Präsidenten-Bericht kritisiert, weil dieser zwar vieles zu Zentralisierung und Risikoteilung auf EU-Ebene enthalte, aber wenig zur Übertragung von effektiven Kontrollrechten oder gar Souveränitätsrechten. Souveränität abgebenIn ihrem Gastbeitrag schreiben Weidmann und Villeroy de Galhau nun, dass eine stärkere Integration “der naheliegende Weg” zu sein scheine, um das Vertrauen in den Euroraum wiederherzustellen. Eckpunkte könnten neben einem Euro-Finanzministerium auch eine effiziente und weniger fragmentierte europäische Verwaltung sowie ein stärkeres politisches Gremium sein. Für diese Lösung müssten die Euro-Länder aber “in erheblichem Maße Souveränität und Befugnisse auf die europäische Ebene übertragen”. “Sollten die Regierungen und Parlamente im Euroraum jedoch vor der politischen Dimension einer umfassenden Union zurückschrecken, dann bliebe nur noch ein gangbarer Weg übrig – ein dezentraler Ansatz auf der Grundlage von Eigenverantwortung mit strengeren Regeln”, so die Notenbanker, die zudem erneut Strukturreformen einforderten und für eine “ambitionierte Finanzierungs- und Investitionsunion plädierten.Das Bundesfinanzministerium in Berlin begrüßte den Diskussionsbeitrag der Notenbankchefs. “Die beiden Notenbanker greifen (…) die schon bekannte Ansicht der Bundesregierung auf, dass nicht weniger, sondern mehr Europa die Antwort auf die aktuelle Herausforderung darstellt”, sagte eine Sprecherin von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Zugleich machte sie aber deutlich, dass es sich bei den Vorschlägen der Notenbanker um “längerfristige Szenarien” handele, da diese eine Änderung der EU-Verträge bedingten. Die Hürden dafür seien hoch – sowohl mit Blick auf das Prozedere als auch auf die politische Willensbildung. Für die Bundesregierung ist ebenfalls wichtig, dass das Prinzip der Verbindung von Haftung und Kontrolle in der Währungsunion gesichert ist. Dies unterstrich auch die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Wirtz. Der europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt müsse einheitlich angewendet und Risiken im Finanzmarkt abgebaut werden, sagte Schäubles Sprecherin. Zu der konkreten Idee, einen Euro-Finanzminister zu etablieren, äußerte sich die Regierung nicht.Schäuble hatte sich früher schon offen für institutionelle Änderungen in der EU gezeigt, auch wenn diese politisch schwer zu realisierende Vertragsänderungen erfordern. Eine vertiefte Integration der Währungsunion sei Kern europäischer Wettbewerbsfähigkeit, wie er Ende Januar in einem Gastbeitrag für die “Frankfurter Allgemeine Zeitung” schrieb. Schäuble wies darauf hin, dass jede weitere Vergemeinschaftung der Finanz- und Wirtschaftspolitik – gegebenenfalls nur in der Eurozone – und deren institutionelle Absicherung durch veränderte Regeln für EU-Kommission und -Parlament, eine Änderung des Primärrechts erfordere. Solange die Regeln des Stabilitätspaktes nicht verändert werden können, sieht er als pragmatische Lösung die strikte Einhaltung der strengen Regeln an. So werde auch die Geldpolitik nicht überfordert.