Weidmann stellt sich gegen Fed-Idee

Bundesbankchef hält nichts von Überschießen des Inflationsziels - EZB soll an Normalisierung festhalten

Weidmann stellt sich gegen Fed-Idee

In der US-Notenbank tobt eine Debatte über den geldpolitischen Rahmen, und die Stimmen für eine flexiblere Auslegung des 2-Prozent-Inflationsziels mehren sich. Bundesbankchef Weidmann lehnt solche Überlegungen für die EZB ab. Zugleich dämpft er trotz schwächeren Wachstums Erwartungen an neue EZB-Hilfen.ms Frankfurt – Bundesbankpräsident Jens Weidmann hält nichts von einer Strategie, bei der die Europäische Zentralbank (EZB) in Zukunft ein zeitweises Überschießen ihres 2-Prozent-Inflationsziels anvisieren könnte – als eine Art Ausgleich für die vergangenen Jahre mit Raten meist und teils sogar deutlich unterhalb der 2 %. “So, wie der EZB-Rat Preisstabilität definiert, verzichtet er ganz bewusst darauf, vergangene Abweichungen von der angestrebten Inflationsrate in die eine wie die andere Richtung später kompensieren zu wollen”, sagte Weidmann gestern in seinem Statement bei der Bilanzpressekonferenz der Bundesbank.Die Nachfrage, ob er damit bereits Pflöcke einschlagen wolle für den Fall, dass eine entsprechende Diskussion, die derzeit vor allem in der US-Notenbank geführt wird, in den Euroraum und den EZB-Rat überschwappt, bejahte Weidmann und sagte, seine Ausführungen seien “im Vorgriff auf eine Diskussion, die bereits stattgefunden hat”, zu sehen. Die entsprechende Passage in seinem Eingangsstatement hatte Weidmann erst kurzfristig hinzugefügt. Im Redetext findet sie sich noch nicht.In den vergangenen Tagen hatte die entsprechende Diskussion in den USA mächtig Fahrt aufgenommen. Dort mehren sich die Stimmen, dass die Fed künftig nicht jedes Jahr aufs Neue 2 % anvisieren sollte – egal was zuvor passiert ist. Stattdessen sollte sie über einen bestimmten Zeitraum oder einen Zyklus im Durchschnitt 2 % anstreben – deswegen heißt das “Average Inflation Targeting”. Konkret ist die Idee: In normalen oder guten wirtschaftlichen Zeiten würden eher Raten oberhalb von 2 % angestrebt, weil in schlechten Zeiten die Raten eher unter 2 % liegen dürften (vgl. BZ vom 26. Februar). Weit reichende ImplikationenEin solches Umdenken hätte nicht nur weit reichende Implikationen für die zukünftige Ausgestaltung der Geldpolitik. Es könnte auch darauf hinauslaufen, dass die Zentralbanken aktuell noch länger als ohnehin schon avisiert an einer eher expansiven Geldpolitik festhalten – selbst wenn das weit verbreitete 2-Prozent-Ziel eines Tages erreicht sein sollte.Mit Blick auf die aktuelle Geldpolitik sowie die wirtschaftliche Lage im Euroraum und Deutschland warnte Weidmann vor übertriebenem Konjunkturpessimismus und wandte sich gegen Spekulationen und Diskussionen über baldige neue EZB-Hilfen. Weil sich die Euro-Wirtschaft stärker abgeschwächt hat als erwartet, haben Erwartungen zugenommen, die Euro-Hüter könnten erneut zur Tat schreiten. Der EZB-Rat trifft sich am 7. März zu seiner nächsten geldpolitischen Sitzung.Weidmann räumte zwar ein, dass die Euro-Wirtschaft derzeit eine Wachstumsdelle durchlaufe, die größer sei als erwartet. Entscheidend sei aber die mittelfristige Perspektive. Das Wirtschaftswachstum stütze sich weiter auf ein starkes Fundament. Anhaltend gute Arbeitsmarktdaten und ein solides Lohnwachstum würden zudem zu mehr Preisdruck im Währungsraum führen – auch wenn der Ölpreisrückgang und das schwächere Wachstum die kurzfristigen Inflationsaussichten trübten. “Wir sollten durch diese vorübergehenden kurzfristigen Schwankungen hindurchschauen”, sagte Weidmann.Mit Blick auf neue Langfristkredite (TLTROs) für Geschäftsbanken trat Weidmann auf die Bremse. Für eine solche Maßnahme brauche es eine geldpolitische Begründung, sagte er und signalisierte zugleich, dass er da momentan Zweifel hat. So sei etwa die Kreditvergabe im Euroraum weiterhin gut. In jedem Fall müsse aber sehr genau über die Ausgestaltung diskutiert werden. Weidmann machte zudem klar, dass er derzeit keine Notwendigkeit sieht, etwas am Ausblick (Forward Guidance) für die rekordniedrigen Leitzinsen zu ändern. Die Märkte verstünden das sehr gut. Die Erwartungen an eine erste Zinserhöhung haben Marktteilnehmer ins Jahr 2020 verschoben.Weidmann betonte erneut, dass die allmähliche Normalisierung der EZB-Geldpolitik mehrere Jahre dauern werde. “Daher ist es aus meiner Sicht wichtig, diesen Weg weiter zu beschreiten, wenn es der Preisausblick zulässt”, so der Notenbanker.