IM INTERVIEW: THOMAS KRESSIN, PIMCO

Weltweit "Streben nach schwächeren Währungen"

Devisenexperte: Gezerre um knappes Gut Wachstum

Weltweit "Streben nach schwächeren Währungen"

Ein direktes oder indirektes Streben nach schwächeren Währungen weltweit ist für den Pimco-Devisenexperten Thomas Kressin unübersehbar. Die USA und Japan könnten seiner Ansicht nach sogar von einem Abwertungswettlauf profitieren.- Herr Kressin, sind Kurse wichtiger Währungen der Welt derzeit künstlich gedrückt?Ein direktes oder indirektes Streben nach schwächeren Währungen ist weltweit unübersehbar. Dabei stehen auf der einen Seite die führenden Notenbanken, allen voran die US-Fed, die im Zuge des Kampfes gegen die globale Finanzkrise und ihre Folgen zu außerordentlichen Mitteln wie der quantitativen Lockerung griffen. Damit haben sie die Abwertung der eigenen Währung zumindest billigend in Kauf genommen und zudem die Weltwirtschaft mit Liquidität geflutet. Auf der anderen Seite stehen zumeist Schwellenländer, die verständlicherweise auf diese globale Liquiditätsschwemme und die folgende Aufwertung ihrer eigenen Währung sowie die ausgelösten Spekulationsblasen an einzelnen Vermögensmärkten reagierten. Denken Sie nur an die Sondersteuern und Interventionen der brasilianischen Zentralbank.- Also alles ausgelöst durch die laxe Geldpolitik in den Industriestaaten?Nein, auch die Euro-Staatsschuldenkrise hat andere zum Handeln getrieben: So ist die Verteidigung des Euro-Mindestkurses von 1,20 sfr/Euro durch die Schweizer Notenbank SNB eine direkte Antwort auf den verstärkten Kapitalzufluss in die Schweiz. Und dann haben wir auch noch Spieler wie China, die eine fundamentale Unterbewertung und damit ein exportorientiertes Wirtschaftsmodell als Teil der langfristigen Wachstumsstrategie verstehen. Sie sehen: Es gibt zahlreiche Gründe, aus denen Regierungen und Notenbanken zu solchen Mitteln greifen. Allen gemein ist jedoch, dass sie sich gegen eine relative Aufwertung ihrer Währung stemmen. In einem weltwirtschaftlichen Umfeld, in dem Wachstum ein knappes Gut geworden ist, ist ein solches Gezerre um ein kleines Stück vom Wachstumskuchen nur zu verständlich.- Wo sind die Folgen der Interventionen am deutlichsten sichtbar?Am massivsten sind die Maßnahmen sicherlich bei der Schweizer Zentralbank. Die Devisenreserven der SNB sind durch diese Interventionen auf ein Niveau von über 70 % des schweizerischen Bruttosozialprodukts gestiegen.- Folgen nicht schon aus den aktuell unterschiedlichen Phasen der geldpolitischen Krisenbewältigung Einflüsse auf die Wechselkurse, Einflüsse, die aber nichts mit den jeweiligen Fundamentaldaten zu tun haben?Fundamentaldaten wirken über verschiedene Kanäle: Sie haben zum einen direkten Einfluss auf die Wechselkurse etwa über die konjunkturabhängige Export- und Importnachfrage, zum anderen aber auch indirekten Einfluss über die Geldpolitik. Daneben gibt es aber politisch begründete Interventionen am Devisenmarkt, die nur mittelbar mit den Fundamentaldaten zu tun haben, etwa in China, in der Schweiz oder Brasilien. Solche politische Faktoren erschweren kurzfristige Wechselkursprognosen. Langfristig werden Wechselkurse meiner Überzeugung nach aber weiterhin von den Fundamentaldaten getrieben. Betrachten Sie etwa das Bretton Woods System, das 1973 endgültig zerbrach.- Kann es auch nur irgendwie einen Sieger in einem Abwertungswettlauf geben?Es kann in einem Abwertungskreislauf durchaus temporäre Sieger geben. Am besten gewappnet erscheinen hier insbesondere Industriestaaten mit einer schwachem wirtschaftlichen Ausgangslage, geringer Inflation, hoher Verschuldung und einer Zentralbank, deren Zielsetzung nicht allein auf Geldwertstabilität ausgerichtet ist. Dazu zählen derzeit sicherlich die USA und Japan.- Was ist für Sie die Kernaussage des jüngsten G 7-Statements?Die G 7-Erklärung stellt zunächst einmal eine Absage an Forderungen nach politischer Wechselkurssteuerung dar. Wechselkurse sollen demnach durch die Märkte bestimmt werden und staatliche Interventionen die Ausnahme darstellen. Solange die Notenbanken wie etwa die japanische Zentralbank binnenwirtschaftlich orientierte Ziele in den Mittelpunkt stellen und dazu lokale Instrumente einsetzen, wird das von den G 7 akzeptiert. Eine Absage wurde jedoch expliziten Wechselkurszielen und dem Kauf ausländischer Anleihen als Mittel der Geldpolitik erteilt.- Die G 7 hat sich einhellig gegen einen Abwertungswettlauf ausgesprochen. Wird die Position der G 20 auch so einmütig sein?Die Interessenlage innerhalb der G 20 ist deutlich komplexer als bei den G 7. Ich erwarte daher, dass wir ein deutlich verwässertes Bekenntnis zum Grundsatz freier Wechselkurse sehen werden, aber in der Realität wird der Abwertungswettlauf weitergehen.- Was wird die Konsequenz sein?Was wir derzeit beobachten, ist, dass der Euro zu einer Art weltwirtschaftlichem Stoßdämpfer geworden ist. Der Kursanstieg des Euro hat sicher auch mit der jüngsten Beruhigung der Lage in der Peripherie zu tun und der damit verbundenen Rückführung von Kapital von außerhalb des Euro-Währungsraums. Vor allem aber ist die Europäische Zentralbank (EZB) zurzeit die passivste Notenbank im Vergleich etwa zu Fed, Bank of England oder der Bank of Japan. Wir rechnen daher durchaus damit, dass es zu einem weiteren Anstieg des Euro-Kurses kommen könnte und die EZB in der Folge weitere geldpolitische Lockerungsmaßnahmen vornehmen wird.—-Die Fragen stellte Reinhard Kuls.