Weltweiter Vermögensboom ungleich verteilt

In der Niedrigzinsphase rächt sich die Börsen-Abstinenz der Deutschen - Allianz Global Wealth Report 2015 vorgestellt

Weltweiter Vermögensboom ungleich verteilt

Von Stephan Lorz, FrankfurtDas globale Netto-Geldvermögen ist im vergangenen Jahr weiter gewachsen und hat 2014 die 100-Billionen-Euro-Marke geknackt; die Vermögensmittelklasse wird zudem immer stärker. Trotzdem nimmt die Ungleichheit nicht ab. In den entwickelten Volkswirtschaften ufert sie sogar weiter aus, wie die neuen Daten des Allianz Global Wealth Report zeigen. Grund dafür ist etwa, dass die unteren Einkommensklassen zu wenig auf Aktien setzen.Die größere Ungleichheit hat auch volkswirtschaftlich oft negative Auswirkungen, weil zum einen das Kapital weniger in den konsumtiven Bereich gesteckt wird und damit der Realwirtschaft nicht direkt zugutekommt. Manche Ökonomen warnen bereits vor einer Ersparnisflut. Zum anderen nimmt dadurch die Volatilität an den Märkten zu. Arne Holzhausen, Leiter Insurance & Wealth Markets bei der Allianz und einer der Mitautoren der Studie, sprach sich deshalb bei der Präsentation für eine gleichmäßigere Verteilung aus: “Noch mehr Mittelklasse, das Vermögen also auf mehr Menschen verteilen, macht die Welt stabiler.”Auch in Deutschland ist das Vermögen recht ungleich verteilt. Gemessen wird das am Gini-Faktor: Der Wert 0 bezeichnet absolute Gleichverteilung, je größer die Ziffer, desto ungleicher die Struktur. Die USA weisen mit 80,6 den höchsten Wert aus; der für Deutschland liegt immerhin bei 73,3 – und damit deutlich über dem Durchschnitt der entwickelten Länder (64,6).Die Ungleichverteilung hierzulande spiegelt nach Angaben der Allianz vor allem das nach wie vor vorherrschende Ost-West-Gefälle wider. Dies führt auch dazu, dass Deutschland in der Rangfolge beim durchschnittlichen Netto-Geldvermögen pro Kopf eher “im unteren Bereich der Top-League” vorzufinden ist, wie Allianz-Chefvolkswirt Michael Heise formulierte. Weitere Gründe für das relativ schlechte Abscheiden sind die Alters- und die Gesundheitsvorsorge, die vorwiegend über Umlagesysteme abgewickelt werden und daher nicht in den Vermögensstatistiken auftauchen. Länder, die hierfür kapitalgedeckte Versicherungen nutzen, erscheinen insofern “reicher”. Aber auch die Anlagetradition spielt eine große Rolle. Zumal Personen mit niedrigem Einkommen eher auf Zinspapiere setzen, solche mit höherem Einkommen eher Wertpapiere an der Börse kaufen. Und in der derzeitigen Niedrigzinsphase kommen die Zinssparer eben nicht recht vom Fleck.Eine Bevölkerung, die den Aktien misstraut, muss in der augenblicklichen Phase die Sparleistung also erhöhen, um die nötige Absicherung zu erzielen. Und das tun die Deutschen, wie der Wealth Report zeigt. Nimmt man für das Jahr 2007 eine Sparleistung von 100 Euro zur Grundlage, legten die Deutschen im vergangenen Jahr 139 Euro auf die hohe Kante, die Niederlande 108 Euro. Letztere hatten aber ihr Vermögen seit dem Vorkrisenhöchstwert um 46,9 % steigern können, in Deutschland waren es dagegen nur 20,4 %. “Die Deutschen”, so Heise, “lassen sich nicht von den ultraniedrigen Zinsen abschrecken und sparen schlicht mehr.”Auch die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) stellt ihnen hier ein Bein: Da sie eher niedrig verschuldet sind und stärker als andere auf Zinspapiere setzen, haben sie seit der Krise unter dem Strich allein durch die niedrigen Zinsen Einkommensverluste in Höhe von 1,1 % des Bruttoinlandprodukts (BIP) hinnehmen müssen. Nur noch Belgien und die Slowakei gehören zu den Verlieren. Alle anderen profitieren von der EZB-Geldpolitik – direkt monetär.