rec Frankfurt – Neue Daten zu Kreditvergabe und Geldmengen dämpfen die Aussicht auf einen baldigen konjunkturellen Frühling in der Eurozone. Zwar steigen beide für die Europäische Zentralbank (EZB) wichtigen Kennzahlen auf Jahressicht weiter beträchtlich, aber ihr Wachstum hat sich laut EZB abgeschwächt. Bert Colijn, Senior Economist der Bank ING, sieht darin Signale, dass sich die Konjunktur 2020 allenfalls leicht erholen dürfte.Colijn macht das im Wesentlichen an zwei Beobachtungen fest. Die Banken in der Eurozone gaben im November 3,4 % mehr Kredite an Unternehmen aus als im Vorjahreszeitraum. Es ist das geringste Wachstum seit dem Frühjahr 2018. Im Oktober lag das Plus noch bei 3,8 %. “Die Rezession in der Industrie und der Abbau von Lagerbeständen mindern den Appetit auf Investitionen”, sagt Colijn. Die Kreditvergabe an Privathaushalte stieg im November unvermindert um 3,5 %.Zudem verringerte sich das Geldmengenwachstum leicht: auf 5,6 % bei der Geldmenge M3 aus den Komponenten Bargeld, Einlagen auf Girokonten, Geldmarktpapiere und Schuldverschreibungen und auf 8,3 % bei der enger gefassten Geldmenge M1. Das deutet zwar auf eine robuste Konjunktur. Nach Abzug der Inflation fällt das Plus mit 7,4 % aber verhaltener aus als im Oktober (7,7 %.) Deshalb hält Colijn “Hoffnungen auf eine schnelle wirtschaftliche Erholung im Laufe dieses Jahres für verfrüht”.Die EZB versucht mit einem Bündel von Instrumenten, über die Kreditvergabe der Geschäftsbanken die allgemeine Wirtschaftstätigkeit und die Inflation zu beleben. Der Leitzins ist seit März 2016 bei 0 % zementiert, den Einlagezins hat sie inzwischen auf -0,5 % gedrückt. So viel zahlen Geschäftsbanken drauf, wenn sie Geld bei der Notenbank parken – abzüglich eines im September eingeführten Freibetrags. Außerdem hat die EZB eine dritte Serie besonders günstiger Langfristkredite für Geschäftsbanken aufgelegt. Die sogenannten TLTROs fragten die Banken im Euroraum allerdings zuletzt unerwartet wenig nach. Kredite günstig wie nieIm Ergebnis kommen Unternehmer und Verbraucher im Euroraum so günstig wie nie an Darlehen. Nach jüngsten Daten der EZB zahlten Firmen für neu abgeschlossene Kredite im Oktober durchschnittlich 1,56 % Zinsen. Auf dem Höchststand im September 2008 waren es 6,03 %. Wohnungsbaukredite waren zuletzt im Durchschnitt für 1,44 % zu haben, in Deutschland zahlten Kunden sogar nur 1,27 %.Kritiker warnen davor, dass Schuldner sich bei dauerhaft niedrigen Zinsen übernehmen könnten und Kredite vermehrt an ansonsten unrentable Firmen gehen. Eine zu sorglose Kreditvergabe und Niedrigzinsen über einen langen Zeitraum könnten die Finanzstabilität gefährden. EZB-Chefin Christine Lagarde hat angekündigt, die Strategie der EZB zu überprüfen und dabei die Nebenwirkungen der sehr lockeren Geldpolitik verstärkt in den Blick zu nehmen. Laut Lagarde soll die Strategieüberprüfung in diesem Monat beginnen. Einen formalen Beschluss gibt es noch nicht. Die nächste Sitzung des EZB-Rats ist am 23. Januar.