Wenn die kleinen Scheine großen Ärger machen
Seit der Nachricht, dass die Europäische Zentralbank (EZB) den 500-Euro-Schein in die Wüste schickt, fängt man in Deutschland und anderswo damit an, dem großen lilafarbenen Flattermann präventiv hinterzutrauern. Zwar haben die Bürger den 500er seltenst in den Händen oder lässig im Portemonnaie verstaut, aber wenn einem etwas ohne sonderlich überzeugenden Grund genommen wird, ist es in jedem Fall ärgerlich.In China ist die Nachricht von den neuesten Irrungen und Wirrungen der EZB mit Interesse registriert worden, denn im Reich der Mitte wird alles eifrig diskutiert, was sich um bunte Scheinchen dreht. Die bevorstehende Außerbetriebnahme des 500ers trifft Chinesen freilich nicht besonders hart. Der Euro erfährt wenig Respekt. Er wird als regelrechte Weicheiwährung empfunden, die man gar nicht schnell genug loswerden kann, bevor sie gegenüber dem chinesischen Yuan wieder in die Knie geht. *Auf die Idee, Euro-Bargeld zu horten, egal ob in kleiner oder großer Denomination, kommt in China also wirklich niemand. Bei Auslandsreisen allerdings vertrauen die zunehmend dem Tourismus aufgeschlossenen Chinesen grundsätzlich eher dem Bargeld als der Plastikkarte. Wer zur großen Europa-Gruppenreise aufbricht – hinter der sich natürlich in erster Linie ein gezielter Shoppingtrip mit einigen Sehenswürdigkeiten als Staffage verbirgt -, muss sich dementsprechend vorsichtshalber ordentlich mit Landes- beziehungsweise Gemeinschaftswährung eindecken.Dann erleben Chinas Europa-Touristen in spe tatsächlich ihr lila Wunder, weil die heimischen Banken aus welchem Grund auch immer in erster Linie auf den 500-Euro-Schein abonniert sind und größere Beträge grundsätzlich nur mit diesem auszahlen. Bei der Ankunft in Euroland müssen die chinesischen Touristen dann feststellen, dass es eine Kunst für sich ist, einen 500er an einer Ladenkasse loszuwerden oder sonst irgendwie klein gewechselt zu kriegen. Der typische Geschäftsinhaber oder Kassierer wird nun einmal äußerst misstrauisch, wenn da so ein “undurchdringliches asiatisches Fälschergesicht” verlegen lächelnd mit dem großen Lila-Schein winkt. *Während Euroland um den 500er trauert, erfährt Chinas Liebesbeziehung zum Papiergeld am anderen Ende des Banknotenspektrums eine bittere Enttäuschung. Der olivgrün gehaltene 1-Yuan-Schein im niedlichen Kleinformat soll auf einen Beschluss der Zentralbank hin abgeschafft werden und den bereits seit über zehn Jahren im Umlauf befindlichen, bislang aber praktisch nur in Schanghai und umgebenden Provinzen rege genutzten 1-Yuan-Münzen landesweit das Terrain überlassen. Letztere gelten als sauberer, haltbarer, hygienischer und umweltfreundlicher, wiegen aber natürlich schwerer im Säckel.Der 1-Yuan-Schein hat die höchste Umlaufgeschwindigkeit unter Chinas Banknoten und wird insbesondere in den schwülheißen südlichen Provinzen zu rasch abgenutzt, schmierig und reißanfällig. Im kälteren Norden und Osten hingegen hat der 1-Yuan-Schein so etwas wie Kultstatus, so dass Reisende aus Schanghai in anderen Provinzen ihr Klimpergeld vom Kassenpersonal oft verächtlich wieder zurückgeschoben bekommen und zur Zahlung mit anständiger Papiervaluta aufgefordert werden.Die Verbreitung von Münzgeld wird also ein schwieriges Unterfangen. Auch in den USA, wo das Gefummel an Automaten mit Dutzenden von Quarters, also den 25-Cent-Münzen, eigentlich immer ein Ärgernis darstellt, ist der Bezug zum 1-Dollar-Schein mit dem Antlitz von George Washington so groß, dass es Washington nicht gelingt, neue 1-Dollar-Münzen entscheidend zu popularisieren. Für China wiederum ist der Hang zum Papiergeld auch eine historische Selbstverständlichkeit. Es handelt sich schließlich um eine Errungenschaft aus der Blütezeit der Tang-Dynastie ab dem 7. Jahrhundert. Damals war China (vom Rest der Welt völlig unbemerkt) die größte Volkswirtschaft der Welt und brachte erstmals Erdenbürger in den Genuss, mit Geldscheinen wedeln zu dürfen.