Wenn Notenbanken Schulden erlassen

DZ Bank-Studie analysiert Vor- und Nachteile: "Gefährliches Terrain"

Wenn Notenbanken Schulden erlassen

Von Mark Schrörs, FrankfurtOb nun die USA, Großbritannien oder Japan – die großen Industrieländer ächzen aktuell unter immensen Schuldenbergen. Zugleich hadern die Zentralbanken dieser Länder trotz Nullzinspolitik und massiver Staatsanleihekäufe mit deutlich unter ihren Zielvorgaben liegenden Inflationsraten. Wäre es da nicht die einfachste Lösung für alle, wenn die Währungshüter “ihren” Staaten einfach einen Teil der Schulden erließen – quasi eine Win-win-Situation? Erhielten Letztere so nicht neuen fiskalischen Spielraum, während Erstere darauf hoffen könnten, dass die verbleibende zusätzliche Liquidität im System die Inflation treibt?Laut der DZ Bank wird diese Idee an den Finanzmärkten immer stärker diskutiert, wie das Institut in einer Studie schreibt – um sich dann darin mit den Vor- und Nachteilen auseinanderzusetzen. Bei deren Abwägung bleibt die Autorin Birgit Figge jedoch skeptisch. Ihr Fazit: Es gebe viele Vorteile, aber “die Nachteile wiegen schwer”. Ein Schuldenschnitt auf Kosten der Zentralbanken sei folglich “gefährliches Terrain”.Besonders interessant wird die Untersuchung aktuell natürlich durch den Umstand, dass auch die Europäische Zentralbank (EZB) auf den Weg der US-Notenbank Fed, der Bank of England und der Bank of Japan eingeschwenkt ist: Ab März wird sie in großem Stil Schuldtitel der Euro-Staaten kaufen. Von den 60 Mrd. Euro, die sie bis September 2016 Monat für Monat über Wertpapierkäufe in die Märkte pumpen will, könnten rund 45 bis 50 Mrd. Euro auf Staatstitel entfallen.Mit genau einer solchen Politik des Quantitative Easing (QE) sind die Notenbanken in den USA, Großbritannien und Japan zu wichtigen, wenn nicht gar zum wichtigsten Gläubiger geworden (siehe Grafik). Daraus resultieren nun solche Überlegungen.Laut DZ Bank-Analystin Figge gäbe es theoretisch vor allem zwei Vorteile, wenn Zentralbanken den Staaten Schulden erlassen würden: Einerseits würden die Schuldenquoten sinken und die Zinsbelastung abnehmen – was neuen Spielraum etwa für staatliche Investitionen schaffen könnte. Andererseits würde sich letztlich die umlaufende Zentralbankgeldmenge im Wirtschaftskreislauf netto erhöhen – was die Inflationserwartungen und dann auch die Inflation ansteigen lassen könnte.”Auf den ersten Blick erscheint die Idee eines Schuldenerlasses durch die jeweiligen Zentralbanken eines Landes verlockend”, so Figge: “Dieser Vorgehensweise stehen jedoch erhebliche Nachteile beziehungsweise potenzielle Gefahren gegenüber.”Ein großes Risiko sieht Figge darin, dass die Regierungen verleitet sein könnten, Sparanstrengungen und notwendige Reformen hintanzustellen. Das könnte womöglich zu einem “fatalen Teufelskreis” führen. Ein Problem sei auch ein möglicher “Entschuldungswettlauf” zwischen den Zentralbanken sowie der Verlust der Unabhängigkeit und/oder der Reputation der Notenbanken.Die “größte Unbekannte” und folglich größte Gefahr besteht laut Figge aber darin, dass die Inflation mittelfristig stark steigen könnte – auch wenn die Möglichkeit derzeit vielen weit weg erscheint. Sie hält auch wenig von dem Argument, dass die Zentralbanken im Notfall jederzeit in der Lage seien gegenzusteuern. Insbesondere dann, wenn weltweit die Zentralbankliquidität deutlich zulege, würde es schwierig, die Gelder wieder einzusammeln. “In der Vergangenheit hat eine Monetarisierung der Staatsschulden oft zu einer teils ausufernden Inflation geführt”, so Figge.Das kann man auch lesen als eine Art Warnung an jene inner-, aber vor allem außerhalb der EZB, die Kritikern des QE-Programms teils entgegenhalten, der umstrittene inflationstreibende Effekt von Staatsanleihekäufen sei nun kein Problem, sondern gewünscht: Die Dynamik solcher Prozesse ist wohl nicht immer so kontrollierbar, wie es manche denken.