Wider die Kritik an der Sparkultur
Von Mark Schrörs, FrankfurtEigentlich ging es um die Herausforderungen, vor denen der Finanzsektor derzeit steht, als Bundesbankpräsident Jens Weidmann am Mittwochabend bei einem Dinner zum Frankfurt Finance Summit eine Rede hielt. Digitalisierung, Regulierung, Niedrigzinsen – das waren denn auch die Themen, an denen sich Weidmann abarbeitete. Das Thema Niedrigzins aber nutzte er dann doch auch für einen makroökonomischen und geldpolitischen Exkurs – der zumindest in Teilen als Gegenrede zu jüngsten Aussagen von EZB-Präsident Mario Draghi verstanden werden konnte.Draghi hatte Anfang Mai über die “Bekämpfung der Ursachen der niedrigen Zinsen” gesprochen. Dabei hatte er die Verantwortung der Geldpolitik und damit auch der Europäischen Zentralbank (EZB) für die niedrigen Langfristzinsen heruntergespielt und die Minizinsen nicht zuletzt darauf zurückgeführt, dass es einen “weltweiten Überschuss an Ersparnissen gegenüber rentablen Investitionen” gebe. Das drücke weltweit die Zinssätze. Weil er explizit den deutschen Leistungsbilanzüberschuss erwähnte, werteten das einige deutsche Beobachter als kaum verhohlene Kritik an Deutschland und den hohen Ersparnissen im Land. Dass zudem einige in der EZB überzeugt sind, dass der deutsche Staat mehr investieren sollte, ist kein Geheimnis – spätestens seit die EZB-Volkswirte im März für öffentliche Investitionen geworben und eine Ausgabensteigerung in Deutschland durchgerechnet hatten (vgl. BZ vom 22. März).Weidmann seinerseits stellte nun aber klar, dass die Geldpolitik “selbstverständlich” zu den ungewöhnlich niedrigen Langfristzinsen beitrage. Nicht nur die Forward Guidance, also der Ausblick auf lange niedrige Leitzinsen, wie ihn die EZB gibt, sondern auch der Kauf langfristiger Anleihen von Staaten, Banken oder Unternehmen ziele genau darauf ab, betonte er. Vor allem aber wies Weidmann Kritik am Sparverhalten der Deutschen zurück. “Die Sparer zu beschuldigen, dass sie zu viel sparen, ist aus meiner Sicht genauso falsch, wie wenn man Investoren vorwirft, dass sie zu wenig investieren.” Beide Vorwürfe würden den Deutschen häufig gemacht – mitunter bis hin zu der Schlussfolgerung, die Deutschen selbst seien schuld an den aktuell niedrigen Zinsen, sagte Weidmann.Die Deutschen sind selbst schuld – tatsächlich hatte so mancher Kritiker Draghis jüngste Wortmeldungen genauso verstanden, zumal er diese stets garniert hatte mit dem Hinweis, die Niedrigzinsen seien vor allem in Deutschland ein Problem, weil die Haushalte 40 % ihres Vermögens in Form von Bargeld und Bankeinlagen hielten, während jene in anderen Ländern etwa mehr Aktien besäßen.Der Widerhall auf Draghis Rede war dabei umso kritischer, weil sich die EZB auf der einen und die Berliner Politik sowie die deutsche Öffentlichkeit auf der anderen Seite seit Wochen eine Art Schlagabtausch über die Geldpolitik liefern. Den vorläufigen Höhepunkt hatte dieser erreicht, als Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) die EZB-Politik mitverantwortlich machte für das Erstarken europaskeptischer Kräfte wie der AfD und CSU-Politiker einen Deutschen als Draghi-Nachfolger verlangten – für Ende 2019.Weidmann hatte Draghi in dieser Diskussion explizit in Schutz genommen, obwohl er eigentlich einer der größten Widersacher des Italieners im EZB-Rat ist. So mancher Beobachter mutmaßte, Weidmann wolle so wieder mehr Einfluss im Rat gewinnen. Einige unkten gar, er wolle sich für die Nachfolge Draghis positionieren. Für Weidmann aber war mit den Attacken wohl vor allem eine rote Linie überschritten. Die Unabhängigkeit der EZB ist für ihn ein hohes Gut, das er leidenschaftlich verteidigt.Am Mittwochabend jedenfalls hielt Weidmann dagegen, was Vorwürfe an die Adresse Deutschlands betrifft. Es sei falsch, den hohen Leistungsbilanzüberschuss als Beleg dafür zu nehmen, dass die Deutschen selbst schuld seien an der Lage. Zwar sei ein Überschuss von mehr als 8 % “sicher nicht nachhaltig”. Der jüngste Anstieg liege aber zum Großteil am Ölpreisverfall und an der Euro-Abwertung. Diese wiederum ist Folge der ultralockeren EZB-Politik.Weidmann machte zudem deutlich, dass Deutschland mit seiner alternden Gesellschaft gute Gründe habe, vorsorglich zu sparen. Er würde es zwar begrüßen, wenn dieses Geld mehr in Deutschland investiert würde. Entscheidend müsse aber stets sein, dass das Geld nur in vernünftige Projekte investiert werde.Und schließlich stellte sich Weidmann gegen Forderungen nach mehr öffentlichen Investitionen, zumal schuldenfinanzierten. Nicht nur, dass Deutschland mit Blick auf die Alterung strukturelle Überschüsse brauche; auch der solide Zustand der deutschen Wirtschaft spreche dagegen. Zudem, so Weidmann, hätte dies bestenfalls marginale Auswirkungen auf den Rest in Euroland. ——–Bundesbankchef Weidmann verteidigt die Deutschen – auch gegen EZB-Präsident Draghi.——-