Wie Banken Kostenvorteile weitergeben
Kredite stellen im deutschen Finanzsystem das zentrale Finanzierungsinstrument für private Haushalte und Unternehmen dar. Daher werden Investitions- und Konsumentscheidungen und somit auch die inländische Wirtschaftsleistung in erheblichem Maß durch die Kreditkonditionen des Bankensektors determiniert. Aus Kundensicht ist vor allem entscheidend, wie hoch der produktspezifische Preisaufschlag auf das aktuelle Marktzinsniveau ist und mit welcher Geschwindigkeit die Banken Zinsänderungen der Zentralbank an den Kunden weitergeben.Derzeit wird beispielsweise kritisiert, dass die Zinssätze für Dispositionskredite an Privatkunden nur sehr langsam sinken, obwohl die Refinanzierungskosten der Banken stark gefallen sind. Gilt dies auch für Kreditzinsen aller Produktgruppen wie beispielsweise mittelfristige Kredite an Privat- und Firmenkunden? Eine aktuelle Studie der Deutschen Bundesbank kommt hier zu spannenden Ergebnissen.Die Zinssätze, zu denen Kreditinstitute ihre Kreditprodukte anbieten, hängen mittelbar vom Leitzins, zu dem sich Banken Liquidität bei der Europäischen Zentralbank (EZB) leihen, ab. Durch die Steuerung des Leitzinses beeinflusst die EZB zunächst die Geldmarktzinsen, aber auch am längeren Ende der Zinsstrukturkurve ergeben sich Zinsänderungen, da die Erwartungen über künftige Kurzfristzinsen in den längerfristigen Marktzinsen eingepreist sind. Durch steigende (fallende) Leit- und Marktzinsen kommt es zu einer Verteuerung (Verbilligung) der Refinanzierungskosten der Kreditinstitute. Die Banken geben diese Kostenänderungen an ihre Kunden weiter. NiedrigstzinsumfeldIm aktuellen Niedrigzinsumfeld werden sinkende Refinanzierungskosten in Form von sinkenden Kreditzinsen an Bankkunden weitergeben. Dieser Zinsanpassungsprozess von Marktzinsänderungen hin zu Kreditzinsen wird in der Literatur als “Interest Rate Pass-Through” bezeichnet und ist Gegenstand einer Vielzahl wissenschaftlicher Studien, die die durchschnittliche Zinsentwicklung in Deutschland analysieren.Regelmäßig wird hierbei gezeigt, dass Kreditinstitute Marktpreisänderungen nur langsam und unvollständig an die Kreditnehmer weitergeben. Mit Hilfe von individuellen Bankdaten, die der Deutschen Bundesbank vorliegen, kann festgestellt werden, dass der Zinsanpassungsprozess bei den einzelnen Banken sehr unterschiedlich verläuft. Diese Heterogenität kann unter anderem durch bankspezifische Charakteristika wie beispielsweise das Wettbewerbsumfeld, Marktmacht, Refinanzierungsstruktur oder operative Effizienz erklärt werden. Während in der Forschung Einigkeit herrscht, dass ein höherer Grad an Marktmacht zu ungünstigeren Konditionen für den Kreditnehmer führt, ist der Einfluss der Kosteneffizienz einer Bank sowohl aus theoretischer als auch aus empirischer Sicht unklar. Dabei wird eine Bank effizient genannt, wenn sie ihr aktivisches Geschäft (z. B. Kredite, Wertpapiere, außerbilanzielles Geschäft) kostengünstiger als ihre Wettbewerber, die ein vergleichbares Geschäftsvolumen und einen vergleichbaren Geschäftsschwerpunkt aufweisen, “produzieren” kann (Kosteneffizienz). Zinsglättung bei EffizienzEinerseits liegt die Vermutung nahe, dass Effizienzvorteile lediglich eine Erhöhung der Margen bzw. Zinsspannen zwischen Aktiv- und Passivkonditionen und damit mittelbar des Gewinns einer Bank bewirken: Eine Bank, die Kosten spart, könnte so ihren Gewinn erhöhen und ihre Kunden nicht an ihren Kostenvorteilen partizipieren lassen. Auf der anderen Seite ermöglicht die effizientere Leistungserstellung, dass die Bank kompetitivere Kreditzinsen unterhalb derer ihrer Wettbewerber anbieten kann. Insbesondere in stark saturierten Märkten wie dem deutschen könnte sich letztere Strategie als attraktiv erweisen, um Marktanteile hinzuzugewinnen beziehungsweise gegen andere Banken zu verteidigen. Führt eine Kostensenkung im Vergleich zu Wettbewerbern im deutschen Bankenmarkt dazu, dass diese effizienteren Banken bessere Kreditkonditionen für Kunden anbieten, oder werden die erzeugten Kostenvorteile nicht an die Kreditnehmer weitergegeben?Neue Evidenz hinsichtlich dieser Fragen bietet die Studie “Determinants of the Interest Rate Pass-Through of Banks – Evidence from German Loan Products” (Bundesbank Diskussionspapier Nr. 26/2012), deren Ergebnisse und Vorgehensweise im Folgenden erläutert werden. Im Kern wird gezeigt, dass Kreditnehmer in doppelter Hinsicht von einer höheren Kosteneffizienz ihres Kreditinstituts profitieren: Erstens fallen Preisaufschläge auf das Marktzinsniveau geringer aus, und zweitens findet eine Zinsglättung statt, d.h. die Kreditkonditionen sind weniger volatil, was vielfach von den Kunden als vorteilhaft angesehen wird. Die einzelnen Schritte der Untersuchung werden im Folgenden detailliert erläutert und motiviert.Zunächst wird das Kreditzinssetzungsverhalten der einzelnen Banken analysiert. Die Berechnung besteht aus einem Vergleich zwischen dem Kreditzins, den eine Bank setzt, und einem vergleichbaren Geld- oder Kapitalmarktzins. Ziel ist es, (a) den mittleren Preisaufschlag einer Bank auf das allgemeine Marktpreisniveau und (b) die Anpassungsgeschwindigkeit, mit der eine Bank ihre Kreditzinsen an Marktänderungen anpasst, zu ermitteln. Dies kann methodisch mit Hilfe eines Fehlerkorrekturmodells umgesetzt werden. Es erklärt Kreditzinsänderungen einer Bank in Abhängigkeit der eigenen Kreditzinshistorie sowie der historischen Marktzinsänderungen. Dabei wird eine Gleichgewichtsbeziehung in der längeren Frist zwischen Bankzinsen und Marktzinsniveau berücksichtigt.Die Grafik illustriert den Sachverhalt anhand eines fiktiven Kredit- und Marktzinses. Zwischen beiden Zinszeitreihen besteht eine Gleichgewichtsbeziehung, da sie einen gemeinsamen Trend aufweisen. Es lässt sich erkennen, dass der Kreditzins verzögert auf Marktzinsänderungen reagiert. Dies ist exemplarisch insbesondere im zweiten Halbjahr 2005 erkennbar: Während sich bei den Marktzinsen schon eine Aufwärtsbewegung erkennen lässt, weisen die Kreditzinsen noch eine fallende Bewegung auf und steigen erst gegen Anfang des neuen Jahres. Des Weiteren ist zu sehen, dass sich Marktzinsänderungen nicht in vollem Ausmaß in den Kreditzinsen widerspiegeln.Die Datengrundlage für die oben genannte Berechnung ist die MFI-Zinsstatistik der Deutschen Bundesbank, in der für eine repräsentative Auswahl deutscher Kreditinstitute Informationen über deren Zinssetzung erhoben wird. Dabei stehen monatliche Angaben für ca. 200 deutsche Kreditinstitute für verschiedene Produktgruppen wie etwa Überziehungskredite, Konsumentenkredite und Immobilienkredite mit unterschiedlichen Zinsbindungsfristen ab Januar 2003 zur Verfügung. Für die Untersuchung werden lediglich Daten bis September 2008 genutzt, um sicherzustellen, dass die Ergebnisse nicht von der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise getrieben werden. Hierbei ist jedoch anzumerken, dass die untersuchten Zusammenhänge auch während der Finanzkrise bis hin zum Ende letzten Jahres bestätigt werden können. Kosteneffizienz berechnenIm zweiten Schritt der Untersuchung werden die Banken detailliert charakterisiert, um das Preissetzungsverhalten erklären zu können. Hierzu greifen die Autoren auf Informationen aus Jahresabschlüssen zurück, die der Bundesbank von jedem Institut gemeldet wurden. Von besonderem Interesse ist die Berechnung der Kosteneffizienz einer Bank. Eine Bank arbeitet dann kosteneffizient, wenn sie ein gegebenes Outputniveau mit minimalen Kosten produziert. Die Kosteneffizienz lässt sich mittels statistischer Methoden (“Stochastic-Frontier-Modelle”) ermitteln, indem die Höhe der operativen Kosten einer Bank unter Berücksichtigung ihrer Produktionsleistung mit einer Benchmark (Best Practice) verglichen wird. Anschaulich wird für jede Bank die Frage gestellt, wie weit sie ihre Kosten hätte senken können unter der Voraussetzung, dass sie Geschäftsvolumen und -zusammensetzung an Krediten, Wertpapieren und außerbilanziellen Geschäften aufrechterhält.Neben der Kosteneffizienz werden weitere Einflussgrößen zur Erklärung der Kreditbepreisung berücksichtigt. Auf diese Weise soll möglichst sichergestellt werden, dass die abgeleiteten Ergebnisse ursächlich auf die Kosteneffizienz zurückzuführen sind und nicht durch andere Effekte überlagert werden. Hierbei handelt es sich um das Ausmaß der Einlagenfinanzierung, die Marktmacht einer Bank beziehungsweise die Marktkonzentration, das Kreditrisiko, die Größe einer Bank, das regulatorische Überschusskapital (Kapital, das über das regulatorisch geforderte Kapital hinausgeht), die Liquidität einer Bank und Indikatoren zur Gruppenzugehörigkeit (drei Gruppen: Kreditbanken, Sparkassen und Kreditgenossenschaften). Kapitalausstattung als FaktorVerfügt eine Bank über genügend liquide Mittel oder ein hohes Maß an Eigenkapital, so sollte dieses Institut in der Lage sein, Marktzinsschocks besser abzufedern. Andererseits besteht die Gefahr, dass Kosten für das Bereithalten von Kapital und Liquidität auf die Kreditzinsen durchschlagen. Da die Finanzierung über Einlagen meist personalintensiv ist und in der Regel eine gewisse Filialpräsenz erfordert, ist davon auszugehen, dass Institute, die sich verstärkt über Kundeneinlagen (und weniger am Kapitalmarkt) finanzieren, höheren Verwaltungskosten gegenüberstehen. Diese Mehrkosten werden möglicherweise in Form höherer Preisaufschläge an den Kunden weitergegeben.Das Wettbewerbsumfeld eines Instituts wird alternativ durch verschiedene Maße (z.B. Marktanteile, Konzentrationsmaße, Lerner-Indizes) abgebildet. Kompetitivere Märkte sollten Banken dazu zwingen, geringere Preisaufschläge zu fordern und schneller auf Marktzinsänderungen zu reagieren. Besitzt eine Bank höhere Risiken in ihrem Kreditportfolio, so ist anzunehmen, dass hier die Kreditzinsen aufgrund der Risikoprämie höher ausfallen. Darüber hinaus wird in der Analyse berücksichtigt, dass teilweise erhebliche Größenunterschiede zwischen den Instituten bestehen. Effiziente Banken günstigerIm dritten Schritt wurde der Zusammenhang von Kosteneffizienz und Produktpreisen für unterschiedliche Kreditkategorien wie Überziehungskredite, Konsumentenkredite und Immobilienkredite mit unterschiedlichen Zinsbindungsfristen untersucht. Erste Hinweise, dass kosteneffizientere Kreditinstitute einer für den Kunden freundlicheren Preispolitik folgen, lassen sich bereits aus vergleichenden Statistiken ableiten. Hierbei werden die Institute nach ihrem Effizienzgrad sortiert und die 25 % effizientesten mit den 25 % ineffizientesten Banken verglichen. Im Durchschnitt setzen effizientere Banken geringere Preisaufschläge und lassen sich bei der Zinsanpassung an ein neues Marktzinsniveau mehr Zeit.Univariate Statistiken geben nur grobe Anhaltspunkte über mögliche Zusammenhänge, da weitere potenzielle Einflussfaktoren, die den Effekt der Kosteneffizienz überlagern können, außer Acht gelassen werden. Werden nun die oben genannten Determinanten in der Berechnung berücksichtigt (multivariate Regressionsanalyse), so zeigt sich weiterhin ein klares Bild zwischen der Kosteneffizienz und der Kreditbepreisung. Insgesamt zeigt die Studie, dass kosteneffizientere Institute im Allgemeinen signifikant geringere Preisaufschläge auf das Marktzinsniveau verlangen und weniger volatile Kreditkonditionen zu verzeichnen haben. Vergleich von ProduktgruppenDie detaillierte Datengrundlage der Deutschen Bundesbank erlaubt es, die Untersuchung nicht nur zwischen individuellen Banken durchzuführen, sondern vor allem auch genauer nach Produktgruppen zu differenzieren. So legt die Studie nahe, dass sowohl bei Überziehungskrediten an Privatkunden als auch bei Krediten an Unternehmen, die eine Höhe von 1 Mill. Euro übersteigen, kein signifikanter Zusammenhang zwischen der Kosteneffizienz und dem Preisaufschlag auf Marktzinsen mehr festgestellt werden kann.Im letztgenannten Fall großvolumiger Unternehmenskredite könnte eine Erklärung darin bestehen, dass insbesondere kleinere Banken bei der Vergabe von großen Krediten im Rahmen von Kreditsyndikaten zusammenarbeiten, wodurch der Einfluss des einzelnen Instituts auf die Preissetzung sinkt.Der fehlende Zusammenhang zwischen Kosteneffizienz einer Bank und ihrem Zinssetzungsverhalten für Überziehungskredite an Privatpersonen entspricht in ihrer Aussage der aktuellen Studie des Verbraucherschutzministeriums vom 18. Juli 2012 (www.bmelv.de). Diese Studie ergibt, dass Banken die Zinsen für Dispositionskredite trotz sinkender Refinanzierungskosten nur in geringem Ausmaß senken.Übertragen auf die hier behandelte Studie kann darüber hinaus gezeigt werden, dass selbst Banken, die sich noch kostengünstiger als ihre Wettbewerber finanzieren, keine weitere signifikante Senkung ihrer Dispositionskredite vornehmen. Dies könnte dadurch erklärt werden, dass Überziehungskredite von privaten Konsumenten eher sporadisch in Anspruch genommen werden. Während bei Immobilienkrediten die Konditionen einzelner Banken vor der Inanspruchnahme eines Kredits vermutlich genau verglichen werden, scheint der Kunde bei Überziehungskrediten nicht so preissensitiv zu sein. Damit haben kosteneffizientere Banken wenig Anreiz, in diesem Segment kundenfreundlichere Preise zu setzen.Tabelle 2 zeigt zusammenfassend die durch die Studie gefundenen Einflüsse von Kosteneffizienz auf das Zinssetzungsverhalten. Im interessanten Fall der Kreditbepreisung von Privatkundenprodukten wird deutlich, dass sich Überziehungskredite von effizienten und ineffizienten Banken nicht signifikant unterscheiden. Dies lässt sich, wie oben genannt, durch verschiedene Argumente wie beispielsweise mangelnde Produktvergleiche, Unwissenheit oder träges Wechselverhalten der Bankkunden sowie hohe Wechselkosten erklären.Der deutlichste Unterschied zwischen der Studie des Verbraucherschutzministeriums und der hier behandelten Studie liegt jedoch in dem Ergebnis, dass für alle anderen untersuchten Kreditprodukte mit einer Effizienzsteigerung und somit reduzierten Kosten auch die Kreditkonditionen für die Kreditnehmer günstiger bepreist sind. Sowohl im Konsumentenkreditbereich als auch für Wohnungsbaukredite, die für Haushalte insbesondere aufgrund ihrer oftmals langen Laufzeit und hohen Volumina von besonderer Bedeutung sind, findet eine Adjustierung hin zu besseren Kreditnehmerkonditionen statt. FazitZusammenfassend wird festgestellt, dass Kostenvorteile gegenüber Wettbewerbern nicht ausschließlich den Eigentümern einer Bank zugutekommen, sondern dass diese auch genutzt werden, um am Markt kompetitivere, günstigere Kredite anbieten zu können. Dieses Ergebnis kann auch als Indiz für einen funktionierenden Wettbewerb am deutschen Bankenmarkt gedeutet werden, insofern der vorhandene Wettbewerbsdruck dazu führt, dass Banken ihre Möglichkeiten zur Preissenkung wahrnehmen. Auf längere Sicht wird dadurch Druck auf die weniger effizienten Banken ausgeübt, da sie sonst im Wettbewerb nicht mithalten können.