NACH DER WAHL DER EU-KOMMISSIONSPRÄSIDENTIN

Wie es jetzt mit Lagarde weitergeht

EZB-Rat gibt womöglich nächste Woche Meinung ab - Anhörung im September

Wie es jetzt mit Lagarde weitergeht

Von Mark Schrörs, FrankfurtMit der Wahl von Ursula von der Leyen zur neuen EU-Kommissionspräsidentin ist wohl auch für IWF-Chefin Christine Lagarde der letzte potenzielle Stolperstein auf dem Weg an die Spitze der Europäischen Zentralbank (EZB) beseitigt – auch wenn zuletzt kaum noch Zweifel bestanden hatten, dass selbst bei einem Scheitern von der Leyens Lagarde EZB-Präsidentin werden und das EU-Personalpaket nicht wieder komplett aufgeschnürt werden würde.Bereits vor der Abstimmung im EU-Parlament am Dienstagabend hatte Lagarde ihren Rücktritt vom Amt der Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF) zum 12. September verkündet. Aktuell führt schon Lagardes Vize David Lipton die Geschäfte. Als Kandidaten für die Nachfolge Lagardes kursieren mehrere Namen, darunter jene von Großbritanniens Notenbankchef Mark Carney, von dessen Amtskollegen aus Deutschland und Finnland, Jens Weidmann und Olli Rehn, oder des früheren niederländischen Finanzministers Jeroen Dijsselbloem. Keine ZentralbankerfahrungLagarde ihrerseits wird zum 1. November die Nachfolge von EZB-Präsident Mario Draghi antreten. Der EZB-Rat muss noch seine Meinung abgeben, was womöglich schon nächste Woche passieren könnte, wie es aus Notenbankkreisen heißt. Dann muss sich Lagarde noch einer Anhörung im Wirtschafts- und Währungsausschuss (Econ) des EU-Parlaments stellen. Dafür sind aktuell der 4. oder 5. September im Gespräch. Die anschließende Abstimmung im Econ sowie im Plenum gilt aber auch nur als Formsache – nicht zuletzt, weil die EU-Abgeordneten stets mehr Frauen für die EZB gefordert hatten.Die Berufung Lagardes an die Spitze der EZB ist aber nicht nur deswegen etwas Besonderes, weil sie die erste Frau ist. Vor allem ist sie die erste Spitze, die über keinerlei Zentralbankerfahrung verfügt und die keine Ökonomin ist. Da auch EZB-Vizepräsident Luis de Guindos, seit Mitte 2018 im Amt, zuvor keinerlei Zentralbankerfahrung hatte, gilt der neue EZB-Chefvolkswirt Philip Lane als der neue starke Mann in der EZB.Jene Euro-Notenbanker, die sich bislang öffentlich zur Berufung Lagardes geäußert haben, haben dies durchweg positiv getan. “Sie weiß, wie die globale Wirtschaft funktioniert. Sie weiß, wie Europa funktioniert. Und sie weiß, wie man mit den Finanzmärkten kommuniziert”, sagte etwa EZB-Direktoriumsmitglied Benoît Coeuré, ein Landsmann der Französin. Und EZB-Ratsmitglied Rehn widersprach im Interview der Börsen-Zeitung Befürchtungen, die mangelnde Erfahrung und ökonomische Ausbildung könnten zum Problem werden (vgl. BZ vom 5 Juli).Der Respekt vor Lagardes Fähigkeiten und Leistungen ist groß – auch wenn es bisher dem Selbstverständnis des EZB-Rats entsprach, dass sich der Präsident aus dem Kreis der Ratsmitglieder rekrutiert, und auch wenn im Rat einige Notenbanker Sorge wegen einer zunehmenden Politisierung der EZB haben. Vor ihrer Zeit an der Spitze des IWF war Lagarde lange Jahre französische Finanzministerin. Sorge um PolitisierungTatsächlich ist die verbreitete Erwartung, dass Lagarde im Großen und Ganzen die eher lockere und aggressive Geldpolitik Draghis fortsetzen wird. Wenn Lagarde ihr Amt antritt, dürften sogar die Weichen in Richtung einer noch lockereren Geldpolitik zumindest gestellt sein – wenn nicht gar diese schon beschlossen sein. Nach den jüngsten Aussagen von Draghi & Co. gilt eine weitere Zinssenkung als ausgemachte Sache, und viele erwarten selbst einen Neustart der breiten Wertpapiernettokäufe (Quantitative Easing, QE).