DER BREXIT - UND NUN?

Wie Paris, Rom und Madrid über den Brexit denken

Börsen-Zeitung, 31.1.2020 wü/bl/ths Paris/Rom/Madrid - Deutschland verliert mit dem Austritt Großbritanniens einen zentralen Verbündeten in Europa (siehe Text unten auf dieser Seite). Was andere Länder über den Brexit denken: FRANKREICH Paris...

Wie Paris, Rom und Madrid über den Brexit denken

wü/bl/ths Paris/Rom/Madrid – Deutschland verliert mit dem Austritt Großbritanniens einen zentralen Verbündeten in Europa (siehe Text unten auf dieser Seite). Was andere Länder über den Brexit denken: FRANKREICHParis gehört zusammen mit Dublin und Luxemburg zu den drei europäischen Städten, in denen sich wegen des Brexit die meisten britischen Unternehmen ansiedeln wollen. Nach Angaben der Anlaufstelle “Choose Paris Region”, die vom Staat, der Region Ile-de-France und der Stadt Paris eingerichtet worden ist, haben bereits 136 Unternehmen den Ärmelkanal überquert, um sich an der Seine anzusiedeln. Das entspricht 3 500 Stellen im Finanzwesen und 1 900 im Bereich Dienstleistungen, Informatik und Industrie. Laut der Finanzplatzvereinigung The City UK sind wegen des Brexit bisher insgesamt nur 5 000 bis 7 000 Mitarbeiter des Finanzsektors aus London wegversetzt worden. Der frühere französische Zentralbankchef Christian Noyer, der von Ex-Premierminister Manuel Valls nach dem Brexit-Votum beauftragt worden war, für den Finanzplatz Paris zu werben, glaubt jedoch, dass der Umzug von Finanzakteuren von London nach Paris nach und nach zur Schaffung von rund 10 000 direkten Arbeitsplätzen führen wird. Viele amerikanische, japanische und nicht zuletzt französische Banken seien dabei, ihre Marktaktivitäten auf Paris zu konzentrieren, sagt er. ITALIENDie Berichterstattung in Italien über den Brexit ist intensiv. Denn in Großbritannien leben rund 700 000 Italiener, und vor allem diejenigen unter ihnen, die schlecht ausgebildet sind und dort seit weniger als fünf Jahren leben, machen sich Sorgen. Gerade bei jungen Leuten ist die Insel sehr beliebt. Rund 16 000 Studenten aus Italien sind an britischen Hochschulen eingeschrieben. Viele Interessierte befürchten, es könnte künftig deutlich schwieriger werden, dort zu studieren. Die wirtschaftlichen Konsequenzen des Brexit für das Bel Paese sind aber begrenzt. Italien ist bei britischen Touristen seit jeher sehr beliebt. Für die Produzenten von Weinen und vor allem von Prosecco ist Großbritannien eines der drei wichtigsten Exportländer. Gleiches gilt für Lebensmittel wie Käse und Teigwaren, aber auch die Modebranche. Dennoch gehört Italien laut der Ratingagentur S&P zu den Ländern, die ökonomisch am wenigsten vom Brexit betroffen sind. Von 20 untersuchten Staaten landet Italien diesbezüglich auf Rang 19. Einem Bericht für das Abgeordnetenhaus in Rom zufolge würde das Bruttoinlandsprodukt des Landes im Fall eines drastischen Exporteinbruchs um maximal 0,25 Prozentpunkte sinken. SPANIENSpaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez konnte gestern dem Beauftragten der EU-Kommission für den Brexit, Michel Barnier, in Madrid persönlich die spezifischen Anliegen seines Landes erläutern. Die wichtigste Eigenheit ist der Status der britischen Kronkolonie Gibraltar, die wirtschaftlich eng mit den umliegenden andalusischen Gemeinden verknüpft ist. Täglich pendeln geschätzt 15 000 Menschen über die Grenze zur Arbeit auf dem Felsen, und viele der 35 000 Einwohner Gibraltars haben Wohnungen im spanischen Hinterland. Um Passkontrollen zu vermeiden, hat Gibraltars Regierungschef Fabian Picardo vorgeschlagen, dass das Territorium dem Schengen-Raum beitreten könnte – was in London sofort zurückgewiesen wurde. Madrid hat sich ein Vetorecht bezüglich der Kolonie beim endgültigen Abkommen mit Großbritannien gesichert. Spanien beherbergt außerdem die größte Gemeinde von Auslandsbriten in Europa, etwa 340 000, wobei sich noch viel mehr unangemeldet in ihren Domizilen am Mittelmeer aufhalten und bisher das spanische Gesundheitssystem in Anspruch nehmen können. Besonderes Interesse gilt auch den künftigen Fischereiquoten.