Chinas Konjunktur

Wilde Wachstumssprünge

Chinas Konjunktur glänzt in den Anfangsmonaten mit ungekannten Wachstumssprüngen, die allerdings mit Vorsicht zu genießen sind.

Wilde Wachstumssprünge

nh Schanghai

Chinas Konjunktur glänzt in den Anfangsmonaten mit ungekannten Wachstumssprüngen, die allerdings mit Vorsicht zu genießen sind. Denn sie sind überwiegend auf Basiseffekte im Zuge der Pandemie zurückzuführen. Auf dem Papier zogen Industrieproduktion, Einzelhandelsumsätze und Anlageinvestitionen im Januar und Februar um circa ein Drittel im Vergleich zum Vorjahr an. In der Tat schreitet Beobachtern zufolge die Erholung zügig voran, doch zwischen den Sektoren geht das Tempo stärker auseinander, als die gewaltigen Wachstumssprüngen von um die 35% andeuten.

Vor einem Jahr war Chinas Wirtschaft durch das Coronavirus praktisch lahmgelegt, weil die Regierung weitreichende landesweite Lockdown-Maßnahmen verordnet hatte. Entsprechend sind die Steigerungsraten auf Produktions- und Konsumseite gewaltig. Hinzu kommt ein chinaspezifischer saisonaler Faktor: Das Statistikbüro erfasst die Daten für Januar und Februar kombiniert, um Verzerrungen durch das chinesische Neujahrsfest samt einwöchiger Ferienpause und weitreichenden Produktionsunterbrechungen statistisch möglichst auszuschalten.

In diesem Jahr allerdings hatte die Regierung aus Coronaschutzzwecken Reisebeschränkungen rund um das Neujahrsfest auferlegt, die wiederum dazu geführt haben, dass das Gros der Wanderarbeiter in den Großstädten verblieben ist. Dies hat den üblichen Produktionsausfällen entgegengewirkt und insbesondere in der Exportindustrie den Output beflügelt, andererseits aber Teilen der Dienstleistungswirtschaft, allen voran Reisebranche und Gaststätten, eine zusätzliche Delle verpasst.

Bereinigte Daten von Analysen zeigen: Chinas Industrieproduktion, die schon seit Jahresmitte 2020 wieder auf hohen Touren läuft, liegt mittlerweile deutlich über ihrem vor der Coronakrise eingeschlagenen Trend. Demgegenüber verortet man bei den Einzelhandelsumsätzen ein Wachstum, das deutlich unter der langfristigen Trendrate liegt. Zwar sind die Retailsektorerlöse zu Jahresbeginn um 34,8% geklettert, doch ist dies kein sonderlich imposanter Anstieg, wenn man bedenkt, dass es in der Vergleichsperiode des Vorjahres zu einem Einbruch um gut 20% gekommen war und damit dem ersten jemals in China verbuchten Rückgang beim Konsum. Analysten der Commerzbank betonen denn auch, dass die nach wie vor schwache Inlandsnachfrage auf absehbare Zeit eine Belastung für die chinesische Wirtschaft bleiben wird.