IM INTERVIEW: EDNA SCHÖNE

"Wir sind sehr nah dran an der Exportwirtschaft"

Das Euler-Hermes-Vorstandsmitglied über die Bedeutung der Hermesdeckungen, über Grenzen für Auslandsware und über Aussichten einzelner Schwellenmärkte

"Wir sind sehr nah dran an der Exportwirtschaft"

Sie gelten als ein wesentliches Instrument der deutschen Außenwirtschaftsförderung: Die staatlichen Exportkreditgarantien, auch Hermesdeckungen genannt, sollen Unternehmen vor dem Risiko des Zahlungsausfalls bei Ausfuhrgeschäften schützen. Die Bundesregierung, die seit Bestehen des Instruments 1949 Exportgeschäft im Gesamtvolumen von 796 Mrd. Euro abgesichert hat, trägt über den Bundeshaushalt die finanziellen Risiken.- Frau Schöne, seit 65 Jahren bearbeiten Euler Hermes und PwC im Auftrag und für Rechnung des Bundes die staatlichen Exportkreditgarantien. Wie wichtig sind die Hermesdeckungen für die deutsche Exportwirtschaft?Hermesdeckungen helfen Exporteuren, schwierige Märkte zu erschließen. Sie fördern deutsche Exporte und sorgen für mehr Beschäftigung in Deutschland.- Das Mandat des Bundes wird nicht neu ausgeschrieben. Warum nicht?Bei den Hermesdeckungen geht es um langfristige, komplexe Projekte mit Kreditlaufzeiten von teilweise über 15 Jahren. Es ist ein Spezialwissen notwendig, um das Geschäft zu betreiben. Deshalb ist es auch schwierig, das Geschäft auf einen neuen Dienstleister zu übertragen. Das würde mit Reibungsverlusten für die Exportwirtschaft einhergehen.- Sie müssen sich also auch in Zukunft keinem Wettbewerb stellen.Es wird immer wieder erörtert, ob die Struktur richtig ist und die Dienstleistung zu marktgerechten Bedingungen erbracht wird. Auch messen wir uns im internationalen Wettbewerb mit anderen Exportkreditagenturen. Wir führen regelmäßig ein Benchmarking gegen vergleichbare Institutionen durch.- Was sind Ihre Einnahmequellen?Wir haben Anfang 2014 eine Strukturveränderung vorgenommen, bei der wir das Nichtversicherungsgeschäft – dazu gehört das Bundesgeschäft als Dienstleistung – vom Versicherungsgeschäft getrennt und in einer Aktiengesellschaft gebündelt haben. Als Aktiengesellschaft erhalten wir vom Bund eine Servicegebühr, die die Kosten für das Management der Dienstleistung abdeckt. Die Höhe bemisst sich unter anderem am Neu- und Bestandsgeschäft.- Was war der Grund für die Umstrukturierung?Der Umbau hatte verschiedene Gründe, unter anderem regulatorische. Der Bund hat die Trennung des Bundesgeschäfts vom Versicherungsgeschäft begrüßt.- Sie sind seit 2015 als Vorstand bei Euler Hermes zuständig für das Geschäft mit den Bundesdeckungen. Was haben Sie vor?Das Geschäftsfeld der Bundesdeckungen ist ein erfolgreiches Geschäftsfeld für den Bund, für die Exportwirtschaft, aber auch für uns. Insofern starte ich von einer guten Ausgangsbasis. Allerdings ändern sich die Rahmenbedingungen für die Exportwirtschaft fortlaufend. Es ist also unsere Aufgabe, das Instrument der Hermesdeckungen gemeinsam mit dem Bund an diese Anforderungen anzupassen.- Was heißt das konkret?Neben der Frage nach den richtigen Produkten und den Nutzungsvoraussetzungen müssen wir uns ständig damit befassen, wie wir uns hinsichtlich der Länderpolitik insbesondere in politisch schwierigem Umfeld positionieren. Ferner geht es um den Kundenservice. Für unsere Kunden sind sowohl die Beratungsqualität wie auch die Entscheidungsgeschwindigkeit wichtig.- Wie viele Kunden hat Euler Hermes als Dienstleister des Bundes?2014 wurden von knapp 1 300 Unternehmen fast 13 000 Anträge auf Hermesdeckungen gestellt.- Sie haben von der Anforderung gesprochen, Produkte und Nutzungsvoraussetzungen anzupassen. Was meinen Sie konkret?Hermesdeckungen sind ein Instrument, das direkt auf Basis des Bundeshaushalts operiert. Das Instrument dient vor allem dazu, durch Förderung des Exports den hiesigen Wirtschaftsstandort zu stärken sowie Arbeitsplätze in Deutschland zu schaffen und zu sichern. Daher werden vor allem Geschäfte mit einer hohen Wertschöpfung in Deutschland unterstützt. Allerdings wächst der Anteil ausländischer Zulieferungen für das von einem deutschen Unternehmen hergestellte Exportgut. Die Exportunternehmen kaufen zunehmend Vorprodukte im Ausland, um produzieren zu können. Dieser Trend zu globalen Wertschöpfungsketten, den wir seit längerem beobachten, ist unumkehrbar. Er führt aber zu einem Spannungsfeld.- Welchem?Je mehr Auslandsware ein Projekt enthält, desto schwieriger wird es, zu beurteilen, ob das Projekt mit diesem Instrument unterstützt werden sollte. Bislang gilt die Regel: Projekte, die eine Quote von 51 % deutscher Wertschöpfung aufweisen, sind grundsätzlich förderungswürdig. Wenn es darüber hinausgeht, müssen wir uns den Einzelfall genau ansehen. Die Frage dabei lautet: Bringt es dem Standort Deutschland etwas, wenn wir dieses Projekt unterstützen?- Wieso ist ein Anteil der ausländischen Vorprodukte von 60 % kritisch?Eine Förderung kommt nur dann in Frage, wenn der Bund überzeugt ist, dass Deutschland von diesem Exportgeschäft profitiert. Dies kann dann der Fall sein, wenn nur durch den Auslandsanteil der deutsche Exporteur überhaupt in die Lage versetzt wird, sich im internationalen Wettbewerb durchzusetzen. Immer häufiger kommt es zum Beispiel vor, dass es in den Bestellerländern gesetzlich vorgeschrieben ist, vor Ort eine bestimmte Wertschöpfung zu erbringen, um bei solchen Ausschreibungen überhaupt zum Zuge zu kommen.- Zu welchem Ergebnis kommen Sie?Wir prüfen seit zwei Jahren intensiv, ob Unternehmen, die sehr viel Auslandsware nehmen müssen, trotzdem einen positiven Beitrag zur Wertschöpfung in Deutschland leisten. Es gibt einen Bedarf, gerade bei großen global agierenden Unternehmen den zulässigen Auslandsanteil zu erhöhen. Der Bund prüft, wo er sich bewegen und Projekte mit Auslandsware über 49 % bewilligen kann. In einer aktuellen Studie kommt das Ifo-Institut zu dem Ergebnis, dass es volkswirtschaftlich sinnvoll ist, bei hermesgedeckten Exporten mehr Zulieferanteile zuzulassen.- Bei welchen weiteren Rahmenbedingungen müssen Sie anpassen?Wir führen einen engen Dialog mit der Exportwirtschaft. Beratungen finden zum Beispiel statt im Interministeriellen Ausschuss, dem Vertreter von vier Ministerien sowie 14 Vertreter von Banken und Exportwirtschaft angehören. Wir widmen uns in diesem Jahr unter anderem dem Thema Rückversicherungsabkommen. Ein Fallbeispiel: Ein deutscher Exporteur stellt ein Stahlwerk auf, und ein großer Anteil für dieses Stahlwerk kommt aus Korea. Wenn wir mit dem koreanischen staatlichen Kreditversicherer ein Rückversicherungsabkommen abgeschlossen haben, besteht die Möglichkeit, dass wir zwar das gesamte Projekt versichern, aber dass wir uns den koreanischen Anteil rückversichern lassen durch den koreanischen Staat. Es besteht aber auch die Möglichkeit einer Risikoteilung mit dem privaten Markt. Das ist ein Modell, das Zukunft hat, weil wir so für den Bundeshaushalt wieder Entlastung schaffen.- Wie weit sind Sie da?Wir haben bereits ein breites Rückversicherungsnetzwerk mit vielen OECD-Ländern. Beim privaten Markt wie auch bei den Nicht-OECD-Ländern stehen wir dagegen noch am Anfang. Rückversicherungsabkommen sind keine triviale Angelegenheit. Wir streben an, insbesondere mit den BRIC-Staaten dieses Rückversicherungsnetz auszubauen. Gerade in China gibt es viele Unternehmen, mit denen deutsche Unternehmen kooperieren.- Welche Länder haben Sie mit den Produkten vor allem im Blick?Unser Fokus gilt Schwellen- und Entwicklungsländern, vor allem den BRIC-Staaten und der Türkei.- Wie entwickelt sich angesichts der politischen Spannungen das Geschäft mit Deckungen für Projekte in Russland?Es gibt immer noch einen starken Bedarf nach Deckungen für Russland. 2014 belief sich das Deckungsvolumen auf 2,2 Mrd. Euro – in etwa so viel wie 2013. Die Nachfrage ist durchaus hoch. Das zeigt uns, dass Geschäfte – außerhalb der Sanktionsbereiche – nach wie vor laufen.- 2014 entfielen 84 % der abgesicherten Exporte auf die Schwellen- und Entwicklungsländer. Welche Märkte werden für Sie wichtiger?In der Türkei nimmt der Bedarf zu. Das Land wird für die deutsche Exportwirtschaft immer bedeutsamer. Wichtig ist auch die Region Subsahara-Afrika. Lange Zeit konnten dort Geschäfte nur eingeschränkt mit einer Hermesdeckung abgesichert werden. Der staatliche Sektor war als Folge von Schuldenerlassen und negativen Erfahrungen lange außen vor. Ende des vergangenen Jahres hat der Bund nun die Restriktionen gelockert und die Deckungsmöglichkeiten für zahlreiche Länder Subsahara-Afrikas erweitert. Subsahara-Afrika ist ein interessanter Markt für deutsche Exporteure. Wir müssen also etwas tun. Andere Länder wie China und die USA sind dort schon stark vertreten.- Zu China: Inwieweit spüren Sie die jüngste Börsen-Baisse und die abflauende konjunkturelle Entwicklung?China bleibt für die Bundesdeckungen ein wichtiges Land. Es gibt aber nicht zwangsläufig eine Korrelation zwischen den Exporten in ein Land und dem Bedarf nach Bundesdeckung. Verschiedene Einflussfaktoren spielen hier eine Rolle. Zum einen die Nachfrage und die Realisierung von Vorhaben in dem Land. Zum anderen aber auch das Risikobewusstsein für das Land. Wichtig sind ferner die Zahlungsmodalitäten. In China ist man traditionell kurzfristig orientiert: Es wird cash bezahlt. Wir sehen aber erste Anzeichen dafür, dass auch dort Kreditgeschäft zustande kommt. Bundesdeckungen könnten dadurch noch interessanter werden.- Wie ist die Resonanz der Exportwirtschaft auf Ihre Arbeit und Ihr Angebot?Es ist nicht immer möglich, alle Wünsche der Exportwirtschaft zu erfüllen. Wir unterliegen zum Beispiel einer strikten Regulierung durch die OECD. Wir sind aber sehr nah dran an der Exportwirtschaft. Die Zufriedenheit mit dem Instrument der Hermesdeckung ist sehr groß, wie jährliche Umfragen zeigen. 2014 waren 91 % der Kunden zufrieden. Wir können sicher schneller werden bei der Bearbeitung. Auch in technischen Dingen müssen wir adjustieren.- Was heißt das?Wir haben ein großes IT-Projekt gestartet. Es ist für die Zukunft des Unternehmens Euler Hermes wichtig, dass wir uns stärker digitalisieren. Es geht um die Online-Anbindung an die Exporteure, aber auch um Schnelligkeit bei der Bearbeitung. Die Umstellung wird 2017 abgeschlossen sein. Wir investieren dafür einen zweistelligen Millionenbetrag.- Wie lange dauert denn das Verfahren der Entscheidung und Bearbeitung von Hermesdeckungen?Wir sind im Bereich der Sammeldeckungen sicherlich langsamer als ein privater Kreditversicherer. Das ist auch auf das regulatorische Umfeld zurückzuführen, in dem wir uns bewegen. Wir schauen uns zudem jeden Einzelfall an, unsere Prozesse sind nicht so automatisiert wie bei einem privaten Kreditversicherer. Und wir decken andere Länder ab als der private Markt. Allein die Informationsbeschaffung für Länder zum Beispiel auf dem afrikanischen Kontinent kann schon sehr zeitaufwendig sein. Bei größeren Einzelprojekten variiert die Bearbeitungszeit je nach Komplexität sehr stark von ein paar Tagen bis zu mehreren Monaten. Nichtsdestotrotz wollen wir die Kundenwünsche nach Komplexreduktion und schnellerer Bearbeitung erfüllen. Ein Schlüssel dafür ist das erwähnte IT-Projekt.- Wie beurteilen Sie die regulatorischen Rahmenbedingungen?Wir sind eingebunden in ein gut funktionierendes Regelwerk auf OECD-Ebene. Alle OECD-Exportkreditversicherer unterliegen Regeln, deren Einhaltung für uns verbindlich ist. Uns beschäftigt, dass sich die Nicht-OECD-Länder, vor allem aber BRIC-Staaten diesem Regelwerk nicht angeschlossen haben. Das beanstanden deutsche Exporteure, die im Wettbewerb stehen mit Unternehmen aus den Nicht-OECD-Staaten. Unser Bestreben ist es daher, dass ein global geltendes Rahmenwerk geschaffen wird für staatliche Kreditversicherer. Die Einhaltung von Regeln im Umwelt- und Sozialbereich oder zur Korruptionsprävention ist für uns sehr wichtig. Da darf es kein “race to the bottom” geben nach dem Motto, wer die schlechtesten Konditionen bietet, bekommt den Auftrag.- Wie entwickelt sich Ihr Geschäft?Das Deckungsvolumen, das heißt das Neugeschäft, liegt bislang auf Vorjahresniveau. 2014 belief sich das Deckungsvolumen auf knapp 25 Mrd. Euro. Das war gemessen an den vergangenen zehn Jahren ein durchschnittliches Volumen. In Spitzenjahren – zu Beginn der Finanzkrise – lag das Volumen über 30 Mrd. Euro. Der solide Trend der vergangenen Jahre hat sich in den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres fortgesetzt. Das Deckungsvolumen liegt zur Jahresmitte mit 12,7 Mrd. Euro in etwa auf dem Niveau des vergleichbaren Vorjahreszeitraums. Dem Bund kommt es aber nicht auf die Höhe des Deckungsvolumens an. Ziel ist es, die Exportwirtschaft so zu unterstützen, dass ihr Risiko abgeschirmt wird und die Wettbewerbsfähigkeit gestärkt wird.- Welche Branchen nehmen die Deckungen vor allem in Anspruch?Etwa zwei Drittel unserer Kunden sind kleine und mittelständische Unternehmen. Wenn man rein das Volumen im Neugeschäft betrachtet, war das Flugzeuggeschäft in den vergangenen Jahren sehr stark. Der Anteil sinkt aber, weil Kunden sehr gut privat finanzieren können. Im vergangenen Jahr lag ein volumenmäßiger Schwerpunkt der Hermesdeckungen im Kreuzfahrtschiffbau. Es gibt in Deutschland wenige, aber sehr wettbewerbsfähige Unternehmen. In diesem Jahr wird der Anteil der Kreuzfahrtschifffahrt voraussichtlich aber nicht mehr ganz so groß sein. Schwerpunkte bei den großvolumigen Geschäften liegen in diesem Jahr im Bereich Erdöl- und Erdgasförderung, im Energiebereich und in der verarbeitenden Industrie, zum Beispiel im Stahlwerksbau.- Trägt sich das Instrument selbst?Das Instrument der Hermesdeckung muss sich selbst tragen, es darf keine Subvention sein. Dies ist eine WTO-Anforderung. Das schaffen wir auch. In den vergangenen 16 Jahren haben wir immer Überschüsse für den Bundeshaushalt erzielt. 2014 waren es allein 309 Mill. Euro. Seit Bestehen des Instruments, also seit 1949, beläuft sich der kumulierte Überschuss auf 3,9 Mrd. Euro.- Es gab aber auch schlechte Jahre.Ja, Jahre mit negativen Zahlen kommen vor. Ein Beispiel aus jüngerer Vergangenheit ist die Russland-Krise. Die staatlichen Schulden wurden schließlich umstrukturiert und von Russland inzwischen vollständig beglichen. Als staatlicher Kreditversicherer muss man dafür einen langen Atem haben.- Was ist 2015 zu erwarten?Aufgrund einer leicht höheren Schadenquote könnte in diesem Jahr der Überschuss geringer ausfallen als 2014. Das liegt vor allem an Schadenszahlungen für Projekte im Iran. Es fehlen aufgrund internationaler Sanktionen Zahlungswege, um Gelder nach Deutschland zu führen. Wir gehen aber davon aus, dass alle Außenstände letztlich beglichen werden. Entsprechende Verhandlungen laufen gegenwärtig.- Nach der jüngsten Reise des Bundeswirtschaftsministers in den Iran hieß es, es sei eine Reise gewesen, die für Deutschland viele Milliarden Euro wert sein könne. 2016 könnten nach der Einigung im Nuklearstreit entscheidende Sanktionen fallen. Welche Perspektiven ergeben sich für das Instrument der Hermesdeckungen?In den letzten Jahren wurden aufgrund der Sanktionen letztlich keine Geschäfte mehr mit dem Iran abgesichert. Der Abschluss des Abkommens bietet sicherlich die Chance, die traditionell guten Handelsbeziehungen zum Iran wieder aufleben zu lassen. Dies könnte dann auch in Zukunft wieder mit Hermesdeckungen unterstützt werden. Doch noch ist ein Weg zu gehen. Insbesondere ist eine Rückzahlung der Altschulden eine notwendige Voraussetzung für eine Öffnung der Deckungspolitik gegenüber dem Iran. Eine Lösung wird von allen Seiten angestrebt, und ich bin optimistisch, dass wir eine zufriedenstellende Regelung finden. Das wird jedoch nicht von heute auf morgen gehen.—-Das Interview führte Carsten Steevens.