"Wir wollen keine marktkonforme Demokratie"

Von Angela Wefers, Berlin Börsen-Zeitung, 5.9.2018 Warum nicht von den Franzosen lernen? Oder die Italiener kopieren? Dort haben charismatische Menschen - losgelöst von den traditionsreichen politischen Parteien des Landes - politikverdrossene...

"Wir wollen keine marktkonforme Demokratie"

Von Angela Wefers, Berlin Warum nicht von den Franzosen lernen? Oder die Italiener kopieren? Dort haben charismatische Menschen – losgelöst von den traditionsreichen politischen Parteien des Landes – politikverdrossene Bürger zurück an die Wahlurnen gebracht. Sie selbst sind so an die ersehnte Macht gelangt. Die deutsche Sammlungsbewegung “Aufstehen” um die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht will dieses Rezept nutzen. In Berlin startete Wagenknecht mit der Veröffentlichung eines Grundsatzpapiers vor der Presse offiziell das von ihr und ihrem Ehemann Oskar Lafontaine initiierte parteiübergreifende Bündnis. “Gemeinsam für ein friedlicheres und gerechteres Land” lautet das Anliegen. Dem dürfte zunächst einmal die große Mehrheit zustimmen.Den Initiatoren und ihren Mitstreitern geht es darum, die Frustrierten anzusprechen, jene, die sich von den regierenden Politikern nicht mehr verstanden fühlen. Viele davon finden eine neue Heimat bei der Alternative für Deutschland (AfD), sofern sie überhaupt ihr Wahlrecht nutzen. Wagenknecht will sie nicht einfach ziehen lassen. Noch mehr, sie will sie vor der rechten Szene retten. Die Bilder der eskalierten Demonstrationen in Chemnitz geben dem Anliegen eine deutliche Rechtfertigung.Die Überparteilichkeit beschränkt sich indessen auf eine rot-grüne Formation: Ehemalige grüne Spitzenpolitiker wie Ludger Volmer oder die Flensburger Oberbürgermeisterin und SPD-Politikerin Simone Lange sind mit von der Partie. Der “Vertreter der Zivilgesellschaft” Hans Albers, der sein Gesicht für das Bündnis hinhält, entpuppte sich bei genauer Recherche als professioneller Werber. In seinen Händen liegt die Kommunikation. Mehr empfangen, weniger senden, lautet das Versprechen an diejenigen Menschen, die das Bündnis mobilisieren will.Der Aufruf sendet aber erst einmal traditionell linke Gedanken. Gezeichnet wird das schwarz-weiße Bild einer in Arm und Reich gespaltenen Gesellschaft. Die Regierung rette Banken und subventioniere Konzerne, schütze aber nicht alte Menschen vor Armut. Das Aufstiegsversprechen der Sozialen Marktwirtschaft werde in Zeiten von Leiharbeit und Niedriglohnjobs nicht mehr erfüllt. “Wir wollen keine marktkonforme Demokratie”, wird konstatiert. Auch die Ursache liefert das Bündnis mit. Zahlungskräftige Wirtschaftslobbyisten nehmen mehr Einfluss auf die Politik als die Bürger mit ihren Bedürfnissen. Internationaler Handel ist willkommen. Geächtet aber werden “transnationale Kapitalgesellschaften”, die sich “weltweit die billigsten Arbeitnehmer, die niedrigsten Steuern und die schlechtesten Standards” aussuchen. Gute Wünsche für Wirtschaft und Menschen gibt es aber auch noch: sichere Jobs, gute Löhne, gerechte Steuern und einen erneuerten starken Sozialstaat. Große Vermögen und Konzerne sollen dafür stärker besteuert werden.Alles schon einmal gehört? Sehr neu klingt es jedenfalls nicht. 100 000 Unterstützer rechnet sich das Bündnis nach der Aktivität auf seiner Webseite zu. Frau Mustermann wurde darunter auch gesichtet. Wie ernst die Bewegung zu nehmen ist, muss sich noch erweisen.—–Die Sammlungsbewegung “Aufstehen” um Sahra Wagenknecht gibt den Startschuss.—–