Europawahl 2024Binnenmarkt und Kapitalmarktunion

Deutsche Wirtschaft dringt auf Stärkung der Wettbewerbsbedingungen

Die deutsche Wirtschaft ruft nach der Europawahl zu einer Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und Rückendeckung für das Unternehmertum auf. Die Wirtschaftsverbände haben konkrete Vorschläge, wie das gehen könnte.

Deutsche Wirtschaft dringt auf Stärkung der Wettbewerbsbedingungen

Wirtschaft dringt auf Stärkung
der Wettbewerbsbedingungen

Reaktionen der Unternehmen auf den Wahlausgang

wf Berlin

Die deutsche Wirtschaft ruft die politisch Verantwortlichen auf, Europa nach der Wahl zusammenzuhalten und mit guten Standortbedingungen die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern, um die Wähler zu überzeugen. „Europa muss handlungsfähig bleiben“, sagte Tanja Gönner, Hauptgeschäftsführerin des Industrieverbands BDI. Brüssel benötige jetzt zügig eine starke Führungsmannschaft und einen Wachstumsplan. Der BDI dringt darauf, Ökologie und Wettbewerbsfähigkeit besser auszubalancieren. Top-Themen seien die Vollendung des europäischen Binnenmarktes, neue Freihandelsabkommen und Bürokratieabbau.

„Unternehmertum unterstützen“

Die Arbeitgebervereinigung BDA verlangt einen Kurswechsel in Richtung „besserer EU“. „Es ist ein klarer Auftrag aus der Mitte des Parlamentes heraus, Wettbewerbsfähigkeit und Stabilität auch gegen die Ränder durchzusetzen“, sagt Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger in Berlin. Er forderte konkrete Schritte gegen den Fachkräftemangel und eine funktionierende Arbeitsmobilität im Binnenmarkt, weniger Bürokratie und mehr Unterstützung für Unternehmertum. Auch die nationale Wirtschaftswende müsse kommen.

Der Präsident der Kammerorganisation DIHK, Peter Adrian, rief das Europaparlament auf, sich für einen attraktiveren und wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandort einsetzen. „Europa muss agiler, schneller und digitaler werden“, konstatierte er und verlangte: Kosten reduzieren, Verfahren beschleunigen und Bürokratie abbauen. Er forderte mehr Raum für Innovationen und technische Entwicklungen.

Für den Maschinenbauverband VDMA rief Hauptgeschäftsführer Thilo Brodtmann dazu auf, die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie durch bessere Regulierung und mehr Vertrauen in das Unternehmertum zu stärken. Der Chemieverband VCI zeigte sich besorgt. „Die ökonomische und politische Stellung Europas in der Welt ist gefährdet“, konstatierte VCI-Präsident Markus Steilemann mit Blick auf die europakritische Stimmung. Europa müsse deshalb nicht nur nachhaltiger werden, sondern auch zu wirtschaftlicher Stärke zurückfinden. Das Deutsche Aktieninstitut (DAI) forderte, die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und die Kapitalmarktunion zügig zu vollenden. Ein starker europäischer Kapitalmarkt brauche eine lebendige Aktienkultur sowie eine schlankere und effizientere Gesetzgebung, stellte Henriette Peucker, Mitglied der DAI-Geschäftsführung, fest.

Ökonomen warnen

Skeptischer zeigt sich die Wissenschaft. Eine ambitionierte Agenda für ein ökonomisch starkes Europa wird aus Sicht des IfW Kiel nach der Europawahl schwieriger, sei aber nicht unmöglich. Für IfW-Präsident Moritz Schularick braucht Europa die Vollendung der Kapitalmarkt- und Bankenunion sowie mutige Schritte zum Aufbau einer europäischen Verteidigung.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin erwartet infolge des Wahlergebnisses eine weitere Schwächung des Wirtschaftsstandorts Europa im Wettbewerb mit China und den USA. Deutschland werde zu den größten Verlierern eines gespaltenen Europas gehören, ist DIW-Präsident Marcel Fratzscher überzeugt. Dies betreffe die Chancen der Vollendung des Binnenmarktes, einer gemeinsamen Industrie- und Verteidigungspolitik sowie einer Fortsetzung des Green New Deals.

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