AUS DEN KOALITIONSVERHANDLUNGEN - KOALITIONSPOKER

Wirtschaft drohen höhere Steuern

Schwarz-rote Finanzpolitiker sehen im Unternehmenssektor eine milliardenschwere Einnahmequelle

Wirtschaft drohen höhere Steuern

Die Finanzpolitiker einer möglichen großen Koalition schielen auf mehr Steuereinnahmen aus der Wirtschaft. Den Unternehmen drohen zusätzliche Lasten zwischen 3,4 und 6,5 Mrd. Euro. Besonders weit geht die SPD.wf Berlin – Eine drastische Verschärfung der Unternehmensbesteuerung haben die Verhandlungspartner einer potenziellen großen Koalition im Visier. Es geht um die Streichung von Erleichterungen, die Union und FDP gleich nach ihrem Wahlsieg 2009 auf den Weg gebracht hatten. In einem Arbeitspapier der AG Finanzen von CDU, CSU und SPD ist der Punkt als die “Rücknahme von Privilegien für Konzerne” deklariert. Das Papier liegt der Börsen-Zeitung vor.Konkrete Maßnahmen sind in diesem Papier nicht genannt. Beispielhaft werden aber die Verlustverrechnungsbeschränkung bei Körperschaften aufgeführt, die Zinsschranke und die Umsatzsteuererleichterung für Hoteliers. Schwarz-Gelb hatte gleich nach der Regierungsübernahme das Wachstumsbeschleunigungsgesetz auf den Weg gebracht und 2010 in Kraft gesetzt. Damit wurde mit einer Reihe von Maßnahmen (siehe Kasten) die Unternehmenssteuerreform 2008 der großen Koalition korrigiert. Insgesamt summierten sich die damaligen Steuererleichterungen für den Unternehmenssektor auf 2,4 Mrd. Euro im Jahr. Hinzu kam die Mehrwertsteuerentlastung für Hotelübernachtungen mit zusätzlich knapp 1 Mrd. Euro. Steuerschrauben gelockertMit der 2009 als “Soforthilfe” bezeichneten Korrektur für die Unternehmen lockerte Schwarz-Gelb die Schrauben, die Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) in der großen Koalition angezogen hatte. Die Verbreiterung der Bemessungsgrundlage für die Unternehmensbesteuerung ging mit der Senkung des Körperschaftsteuersatzes von 25 % auf 15 % einher. Mit der verbreiterten Bemessungsgrundlage sollte nicht nur die Senkung des Steuersatzes kompensiert, sondern auch das Aufkommen aus der Gewerbesteuer als Einnahmebasis der Gemeinden stabilisiert werden.Nach der Reform der Unternehmensbesteuerung brach das Aufkommen aus Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer 2009 von fast 57 Mrd. Euro auf rund 40 Mrd. Euro zwar zunächst ein – aber nicht zuletzt auch wegen der Finanzkrise. In den Folgejahren erholten sich die Steuerzahlungen der Kapitalgesellschaften indessen schnell und erreichten schon 2011 – trotz Lockerung – wieder das Niveau vor der Krise und der Steuerreform (siehe Grafik). Nach den Voraussagen der Steuerschätzer vom Mai wächst die Belastung der Kapitalgesellschaften bis 2017 auf 71 Mrd. Euro. Die Werte dürften mit den neuen Ergebnissen der Steuerschätzer, die heute veröffentlicht werden, weiter nach oben korrigiert werden. 36-Punkte-GiftlisteDeutlich über eine Rücknahme der schwarz-gelben “Wachstumsbeschleunigungs”-Maßnahmen von 2009 hinaus gehen die Vorstellungen der SPD. Die sozialdemokratischen Finanzpolitiker haben eine mehrseitige Giftliste mit 36 Einzelmaßnahmen unter der Überschrift “Steuervereinfachung und Steuergerechtigkeit” in die Verhandlungen eingebracht. Diese Liste liegt der Börsen-Zeitung ebenfalls vor. Nicht alle Punkte sind mit Zahlen unterlegt. Aber schon die zwölf Punkte, die quantifiziert sind, summieren sich auf 4,5 bis 6,5 Mrd. Euro zusätzliche Belastung pro Jahr für den Unternehmenssektor. Darin enthalten ist knapp 1 Mrd. Euro für die Rücknahme der ermäßigten Umsatzbesteuerung von Hotelübernachtungen. Teure Ideen der SPDZu den speziellen Anliegen der SPD zählt unter anderem der Wegfall der steuerlichen Begünstigung des Carried Interest bei Privat-Equity-Fonds, also der Vergütung der Initiatoren. Dies würde zu Mehreinnahmen von 120 Mill. Euro jährlich führen. Bei der schrittweisen Begrenzung der Absetzbarkeit der Anschaffungs- und Betriebskosten für Firmenwagen würden die Steuermehreinnahmen von 2014 mit 500 Mill. Euro bis 2018 auf 2,5 Mrd. Euro anwachsen. Die Abschaffung der Spekulationsfrist auf Grundstücke würde 700 Mill. Euro im Jahr erbringen. Nicht quantifiziert, aber gleichwohl eine starke Belastung für die Unternehmen wäre die zeitliche Begrenzung des Verlustvortrags oder die Einführung der Steuerpflicht des Veräußerungsgewinns aus Streubesitz.Würden Managergehälter jenseits bestimmter Vergütungsschwellen nicht mehr steuerlich berücksichtigt, rechnet die SPD mit regelmäßigen zusätzlichen Steuereinnahmen von 200 Mill. Euro. Diese Position der Sozialdemokraten aus dem Wahlkampf steht aber bislang ebenso im Gegensatz zu den Vorstellungen der Union wie die Erhöhung der Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge. Würde der Steuersatz von derzeit 25 % auf 32 % steigen, wie es die SPD anstrebt, wären damit jährlich zusätzliche Steuereinnahmen von 1,3 Mrd. Euro verbunden.