DER TAG NACH MAYS BREXIT-NIEDERLAGE

Wirtschaft hofft noch auf sanften Ausstieg

Airbus-Chef Enders zuversichtlich - Industrie appelliert an EU - Auslandsbanken sehen Regelungslücken

Wirtschaft hofft noch auf sanften Ausstieg

wf Berlin – Die deutsche Wirtschaft sieht nach der Abstimmung im Unterhaus in London die Folgen eines ungeordneten Brexit mit großer Sorge und ruft die Politik zum Handeln, die Unternehmen zur Vorsorge auf. Gleichwohl gibt es leise Hoffnung, dass die britische Regierung ein hartes Ausscheiden des Landes aus der EU abwendet. Airbus-Chef Tom Enders zeigte sich zuversichtlich. “Es hat zwar keine Zusicherung gegeben, aber ich würde sagen, dass die Minister ein gewisses Ausmaß an Optimismus geäußert haben, dass es nicht zu einem ungeregelten Brexit kommt”, sagt er nach einer Telefonkonferenz von Firmenchefs mit Regierungsmitgliedern. Der Industrieverband BDI appellierte an das Europäische Parlament und den Rat, unverzüglich die Notfallpläne der EU-Kommission in Kraft zu setzen, um die schwersten Folgen einzudämmen.”Wenige Wochen vor dem Ausstiegsdatum können sich unsere Unternehmen nicht in der erforderlichen Weise vorbereiten”, erklärte BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang in Berlin. Das bilaterale Außenhandelsvolumen Deutschlands und Großbritanniens liegt bei 175 Mrd. Euro. “Es droht eine unmittelbar durchschlagende Rezession in der britischen Wirtschaft, die auch an Deutschland nicht unbemerkt vorüberziehen würde”, warnte Lang. Deutsche Unternehmen sind mit rund 120 Mrd. Euro im Vereinigten Königreich investiert.Der Präsident des Digitalverbands Bitkom, Achim Berg, befürchtet ein “Datenchaos” und rief die Unternehmen dazu auf, umgehend ihre Datenströme in das Vereinigte Königreich zu überprüfen. Unvorbereitete Firmen müssten in den Notfallmodus schalten. Vom 30. März an säßen britische Geschäftspartner und Kunden, Rechenzentren oder IT-Dienstleister in einem EU-Drittstaat. Wer die Daten ohne explizite Einwilligung jedes einzelnen Betroffenen oder Standardvertragsklauseln verarbeiten oder speichern lasse, riskiere hohe Bußgelder.Im Finanzsektor sieht die Branche trotz guter Vorbereitungen noch Nachbesserungsbedarf. Infrastruktur, Systeme und Mitarbeiterstäbe der Mitgliedsinstitute seien gut aufgebaut, um die gewohnten Finanzdienstleistungen zu bieten, erklärte Stefan Winter, Vorstandschef des Auslandsbankenverbandes VAB. Allerdings hätten die Auslandsbanken bei den Notfallmaßnahmen der EU zum Clearing “deutlich mehr” erwartet, erklärte Winter. Viele Dienstleistungen und Produkte basierten zudem auf dem europäischen Pass. “Wenn hier die nationalen Behörden Maßnahmen für dessen Fortgeltung ergreifen, kann dies zwar hilfreich sein, es entsteht aber ein regulatorischer Flickenteppich in der EU-27”, hielt Winter fest. Dies verstärke die Rechtsunsicherheit.