Reallohnverluste

Wirtschaft steuert auf „offensive Tarifrunden“ zu

Hohe Kaufkraftverluste durch die hohe Inflation in den vergangenen Jahren lassen harte Auseinandersetzungen in den anstehenden Tarifrunden erwarten. Zumal die konjunkturelle Lage die Unternehmen bereits stark unter Druck setzt.

Wirtschaft steuert auf „offensive Tarifrunden“ zu

Wegen hoher Reallohnverluste
"offensive" Tarifrunden erwartet

Kaufkraft der Gehälter geschrumpft – WSI-Auswertung

lz Frankfurt

Die hohe Teuerung in den vergangenen Jahren hat die Kaufkraft der Tariflöhne bis Ende 2023 auf das Niveau von 2016 abgeschmolzen. Das teilte das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung nach einer Auswertung der Neuabschlüsse und der zuvor vereinbarten Stufenerhöhungen mit. WSI-Tarifexperte Thorsten Schulten rechnet daher mit einer „offensiven Tarifrunde“ mit dem Ziel „deutlicher Reallohnzuwächse“. Die Tarifbeschäftigten hätten schließlich einen erheblichen Nachholbedarf.

In diesem Jahr laufen die Tarifverträge für knapp 12 Millionen Beschäftigte aus, etwa in der Metall- und Elektroindustrie, der chemischen Industrie und im Bauhauptgewerbe. Auch die Tarifverträge im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen müssen neu verhandelt werden. Streiks in diesem Sektor hätten große Auswirkungen auf das öffentliche Leben.

Kaufkraftverluste auch 2023

Nach der WSI-Auswertung sind die Tariflöhne 2023 um 5,5% gestiegen, und damit doppelt so stark wie im Jahr zuvor. Gleichwohl errechnet sich bei einer Inflation von 5,9% auch für das vergangene ein Rückgang der Reallöhne. Allerdings könnten die noch nicht voll eingerechneten Inflationsausgleichsprämien die Nettobetrachtung noch etwas aufhübschen, weil sie in der Regel steuer- und sozialabgabenfrei erfolgt sind, wie Schulten einräumt.

Die Forderungen hatten 2023 allerdings zwischen 8 und 15% mehr Geld gelegen, häufig kombiniert mit Mindeststeigerungen, die vor allem den unteren Lohngruppen zugutegekommen sind. Letztere hatten zudem vom kräftigen Anstieg des gesetzlichen Mindestlohns 2022 auf 12 Euro profitiert, in dessen Folge auch die Tariflöhne in einigen Branchen für diese Lohngruppen erhöht worden sind. Die Landwirtschaft hat mit einem nominalen Plus von 10% die höchsten Zuwächse erzielt.

Lohnzuwachs im Mittelpunkt

Für das laufende Jahr sei wichtig, mit kräftigen Reallohnsteigerungen die schwache Konjunkturentwicklung in Deutschland zu stabilisieren, betont Schulten. Die erwartet niedrigere Inflation zwischen 2 und 3% erleichtere zwar die Durchsetzung von realen Lohnzuwächsen. Die Härte der Verhandlungen werde aber davon abhängen, inwieweit die Arbeitgeber das Interesse der Mitarbeiter an Reallohnzuwächsen auch anerkennen.